Sterben Männerchöre aus?

  • Die Frage stelle ich mir schon einige Jahre mit dem Ergebnis, meiner Meinung nach, JA. Es kommt kein Nachwuchs mehr, die Jüngeren interessieren sich wenig für die klassische Männerchorliteratur. Ich bekomme es hautnah mit, da mein Mann, früher in einem renommierten Männerchor von 180 Sängern, heute nur noch die Hälfte, in einem kleinen Männerchor singt. Gestern hatten sie mal nach langer Zeit wieder Konzert und es wurden Sänger geehrt, die schon 50 Jahre im Chor singen. Man kann sich vorstellen wie alt sie sind, der Jüngste ist Mitte fünzig. Die Literatur ist dementsprechend passend, einfach und simpel, kein Schubert u.a., leider, das geben die Stimmen nicht mehr her. Die Zugabe passte dann wunderbar "mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.."

    Wo ist der Nachwuchs? Woran liegt es, dass die jüngeren keinen Bezug mehr zum klassischen Männerchor haben?

    Es war u.a. ein Gospelchor mit dabei, alle jung und nicht älter als 40 Jahre. Die Literatur war in englischer Sprache, das würden die "alten Sänger" eh nicht machen.

    Schade, gerade Männerchöre, die ich jedem Frauenchor vorziehe, verschwinden so allmählich von der Bildfläche.

    musica :wink:

  • stimme Dir zu .......
    aber zum Glück können wir auf Konserven zurückgreifen, wie diese hier:

    *yepp* einzigartig ....

    „Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren reden. Künstler reden ja nur übers Geld.“

  • oh, ein ganz besonders schöner Chor, den ich vor Jahrzehnten live erlebt habe mit Serge Jaroff, mein Mann war ein großer Fan von dem Chor. :wink:

    musica :wink:

  • Zitat

    Woran liegt es, dass die jüngeren keinen Bezug mehr zum klassischen Männerchor haben?

    das liegt - mal abgesehen von einem viel ausdifferenzierteren angebot, das man als sänger heute hat - vor allem an veränderten ansprüchen und einer ganz anderen ästhetik, denke ich.

    massenchöre sterben eben aus - nicht nur männer-, auch die oratorienchöre.
    ich als begeisterter chorsänger habe nie verstanden, was an einem riesenchor, in dem man kaum einfluss hat, wo es für das klingende ergebnis fast egal ist, ob man mitsingt oder nicht, so toll ist. 180 sänger - da krieg ich das kalte grausen. wie soll man die, wenn's nicht gerade um mahler oder berlioz geht, sinnvoll verwenden? wie einheitlich und beweglich, differenziert und sprechend zum klingen bringen? gar schubert singen?

    beim männerchor kommt noch das hauptsächlich gruselige repertoire dazu; alte schlager, miefige volksliedsätze, weinseligkeit und vaterland, und manchmal doch was schönes, denn das gibt es natürlich auch. aber möchte man schuberts feine männerensembles für einen kleinen freundeskreis von einem ganzen haufen alter knödeltenöre und knarzbässe hören?
    ich kann's mir nicht vorstellen, wenn mal ein männerensemble wie die singphoniker o. king's singers o. die hilliards gehört hat.

    oder, noch viel besser, selber singt. ich treffe mich regelmäßig mit drei freunden zum singen, und dann merkt man erst, wie ungeheuer kunstvoll z.b. schubert seine sätze geschrieben hat - auch wenn da einem der text manchmal im wege steht - "liebe lispelt die natur" kann ich nicht ernsthaft über die lippen bringen.
    ganz zu schweigen von strauss, oder reger, oder schönberg, oder hindemith, oder distler, oder, oder... ich kann's jedem nur empfehlen, sich damit zu beschäftigen.
    aber natürlich sind wir kein e.v., gehören keinem chorverband an, tauchen in keiner statistik über männerchöre auf... wie zu schuberts zeiten.

    gruß
    hanns

    edit: hab gerade nochmal meinen beitrag gelesen; er klingt despektierlicher, als er gemeint war. irgendwann bin ich ja auch mal alt und kann dann das singen wahrscheinlich nicht lassen. sorry.

  • Lieber Hanns,

    du hättest die 180 Männer mal hören sollen, sie sangen auch Schubert, Opernchöre und und die typische Männerchorliteratur. Zusammen mit dem Frauenchor von 150 Damen sangen sie nicht die gewöhnlichen Oratorien die von Oratorienchören gesungen wurde, sondern Brahms Requiem, Te Deum von Bruckner, bei dem ich die Altpartie sang, Zauberflöte und Fidelio konzertant, sie waren überall in der Welt und es war sehr schön. Die Weihnachtskonzerte waren schon im Juli ausverkauft. Der Chorleiter hatte seine Sänger im Griff, er war sehr streng, ein Zuspätkommen wurde nicht akzeptiert und auch kein Flüstern im Chor.

    Doch irgendwann wurden die Weltreisen weniger, es war kein Geld mehr da und siehe da, der Chor nahm ab....es kam kein Nachwuchs mehr, der Chor wurde uninteressant schon nach dem Weggang des langjährigen Dirigenten.

    Aber ich muss dir recht geben, ein kleiner Chor ist beweglicher, da ist jede Stimme wichtig, die Masse macht es nicht.

    musica :wink:

  • hallo musica,

    ich kann's mir immer noch nicht wirklich vorstellen, aber es stimmt schon, dass man wie z.b. karl richter auch einen riesenchor auf den punkt genau singen lassen kann. trotzdem macht man heute bachkantaten mit vier sängern, und ich glaube, dass man dem sinn und gehalt von bachs musik so näherkommt. dito bei schubert, der eben nicht für einen massenchor geschrieben hat. das meinte ich mit einer anderen ästhetik.

    und die rabiate disziplinierung, die bei 330 sängern zweifellos notwendig ist, würde ich als chorsänger nicht akzeptieren. so wie auch kein orchestermusiker einen 'erzieher' der alten schule wie meinetwegen karl böhm mehr hinnehmen würde. die zeiten sind vorbei.
    auch das gehört zu den veränderten ansprüchen, die ich anführte.

    das auch die kleineren männerchöre verschwinden, ist schon traurig, denn es gibt wirklich tolle und auch teilweise extrem anspruchsvolle literatur. aber diesen ansprüchen wird eben der durchschnittliche männerchor nicht gerecht und verlegt sich auf schlager und andere schrecklichkeiten; damit lockt man keinen nachwuchs.
    irgendwie scheinen die deutschen männerchöre da auch was verpasst zu haben, denn in finnland z.b. sieht die situation der männerchöre viel rosiger aus, habe ich den eindruck.

    gruß
    hanns