Gould, Glenn (1932-1982): Klavier


  • Glenn Gould der Erneuerer

    Gestern abend haben mich in Bayreuth die MEISTERSINGER in Katharina Wagners >ver-rückten< , zumindest überspitzten, bzw. auf mit dem Thema zusammenhängenden gesellschaftlichen Widersprüche zugespitzten Interpretation, vollgepowert, heimgesucht aber auch begeistert... Vorhin kam in mir das Bedürfnis nach einer komprimierten musikalischen Deutung auf, einer Zuspitzung auf das WESENTLICHE dieser Musik gewissermaßen (auch aus Zeitgründen). Noch trunken von den Melodien u. Motiven in ihrer Verschachtelung, in Zusammenwirken mit der szenischen Umsetzung. fiel mir eine CD mit Wagner-Transkriptionen von Glenn Gould ein.

    In den vergangenen Stunden habe ich wiederholt diese 10 min. Vorspiel zum 1. Aufzug gehört, quasi ein Potpourri und Leitmotivfaden zugleich. Goulds Spiel bringt das Erlebnis von gestern Abend schnell zurück. Seine kraftvolle, auch überzeichnende Art, das Herausmeißeln und seine Freude der Motiv-Verschränkungen zu polyphoner Strahlkraft, schafft es, daß wie von selbst Bilder und szenische Schwerpunkte vor meinem geistigen Auge ablaufen. Gould selbst hat mal seine Vorliebe für dieses Stück kundgetan und dass es sich wie von selbst spiele, da es wundervoll >kontrapunktisch< sei.

    Zitat: >>> Obwohl ich zugeben muß, dass darin die einzige Stelle vorkommt (bei Liszt’schen Transkriptionen), wo ich mogele; ich muß nämlich in den letzten 3 Minuten Kopfhörer aufsetzen, wenn Wagner alle Themen wieder aufnimmt, für die man, wenn man sie richtig wiedergeben will, mindestens drei Hände brauchte, am besten vier.<<<

    Seit meinem 20. Lebensjahr ist Gould >der mich am meisten prägende Pianist< geworden. Auch wenn ich ihn heute seltener höres, so scheine ich bei vielen Klavier-Werken seinen Interpretationsansatz verinnerlicht zu haben. Höre ich eine Appassionata, ist Gould’s Deutung in meinem Ohr. Dabei habe ich gerade zu dieser Aufnahme ein sehr gespaltenes Verhältnis, sie ist nicht meine Lieblingsinterpretation……aber Goulds Gestaltungs-Manie, die hier in stark überzeichnender Manier, fast zu einer Appassionata-Karrikatur mutiert, bringt es fertig, durch diese überdehnte, swingende Spielweise, eine andere, ungeahnte Seite dieser Komposition aufzuzeigen. Sie wird mir immer im Ohr bleiben.

    Die Liszt’sche Transcrption der Pastorale, war in Gould’s Deutung für gut 2 Jahre meine absolute Lieblingsinterpretation. Kein Dirigent konnte mich eine zeitlang so überzeugen und den Geist dieser Musik mitatmen lassen, wie es in fast hypnotischer Weise GG konnte. Da die Liszt’schen Transkription ganz am Original bleibt, kann der Pianist zum >Original-Täter< werden.

    Von den vielen Büchern, die es über Glenn Gould gibt, hatte eines den Titel: Glenn Gould, der Unheilige am Klavier.
    Bei der genannten Buchbetitelung denkt man an >Sünde<….manche meinen genau DAS sei es, so wie er Partituren gegen den Strich bürste. Exzentriker, Psychopath, Bilderstürmer, Heiliger, DER Erneuerer, der GRÖSSTE, ALL DAS WAR UND IST GLENN GOULD BIS HEUTE.

    So ungewohnt wie für die meisten Musikfans sein Spiel anfänglich war, als die Goldberg Variationen 1955 erschienen, so kunterbunt und kontrovers sind seitdem die Charakterisierungen vom Künstler und seiner Musizierweise. Eine Zeitlang schien es nur PRO oder CONTRA bezüglich Gould zu geben... doch fast 30 Jahre nach seinem Tod 1982, (mit 50 Jahren) ist er sowieso ein >Klassiker<, einer der ganz GROSSEN im Interpretenlager. Insgesamt hat sich die Diskussion über Gould versachlicht und ist auch komplexer geworden, seitdem eine ganzheitlichere Betrachtung sich verbreitet hat, die den EIGENHEITEN des Künstlers auch Rechnung trägt bei der Würdigung der künstlerischen Qualitäten... und nicht alleine ein gewisse Demut gegenüber Werk und Komponist zählt.

    Bahnbrechend ist sein typisches, ja unverwechselbares Spiel in jedem Fall... und die Auswirkungen auf nachfolgende Pianisten-Generationen, wie Fazil Say, Martin Stadtfeld, David Fray u.v.a. sind eigentlich nur mit den revolutionären Auswirkungen/Folgen auf >normale Interpretationen< (OMI) durch Veteranen der sogen. HIP Bewegung und deren maßgeblichen Gründungsvätern wie Savall, Herrweghe, Harnoncourt u.a. zu vergleichen.

    Ich mochte als junger Mann ihn vor allem als DENJENIGEN, der eine neue Sichtweise für Bach, Mozart, Beethoven, Brahms, etc brachte. Trotzdem waren die PRO und CONTRA-Lager nicht lediglich in 2 Lager verteilt, die dem Partitur-Lesen MÄCHTIG oder OHNMÄCHTIG gegenüberstanden. Ich erinnere mich an meinen alten Kantorund an andere Profi-Musiker, die ihn genauso verehrten, wie ich es von Anfang an tat.

    Ich bin neugierig auf Eure Meinungen zu diesem Pianisten.

    Arnulfus

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe Glenn Gould lange zeit als Künstler verehrt. Mit zunehmendem Interesse und gewachsener Überzeugung von der historischen Aufführungspraxis gewann meine Ansicht davon wieder Abstand. Mittlerweile betrachte ich Gould nicht mehr als Künstler, sondern als Kunstwerk.

    Beeindruckend finde ich beispielsweise die beispiellose Kadenz, die er in Bach-Manier zu Beethovens erstem Klavierkonzert (1. Satz) improvisiert:

    Die Aufnahme lohnt sich allein wegen dieser Kadenz! :jubel::jubel::jubel:

  • Zitat

    Beeindruckend finde ich beispielsweise die beispiellose Kadenz, die er
    in Bach-Manier zu Beethovens erstem Klavierkonzert (1. Satz)
    improvisiert:

    also improvisiert ist die nicht, das ist schon eine ganze sehr fein ausgetüftelte komposition; erinnert auch eher an hindemith, finde ich. irgendwo auf einer japanischen seite hab ich sie mal als note gefunden.
    lars vogt hat sie übrigens mal alternativ auf einer eigenen aufnahme verwendet; und improvisiert nicht robert levin tatsächlich jedesmal eine neue kadenz?
    goulds kadenz finde ich jedenfalls auch ganz groß.

    gruß
    hanns

    • Offizieller Beitrag

    Bislang als GA die weiße Sony-Reihe "The Glenn Gould Edition" aus den 90ern (wie in Beitrag 2) und diese hier:

    The Complete Original Jacket Collection (80 CDs / Limited Edition)

    Jetzt im neuen Gewand und audiotechnisch auf dem neuesten Stand:

    Glenn Gould Remastered - The Complete Columbia Album Collection

    Wie ich dem neuesten Rondoheft entnehme, auch als Downloads in verschiedenen Qualitäten mit digitalem Booklet und als Stick.

  • Wie ich dem neuesten Rondoheft entnehme, auch als Downloads in verschiedenen Qualitäten mit digitalem Booklet und als Stick.

    Ich bin ja momentan total angefixt von dieser Neuauflage. In der Ankündigung bei jpc heißt es:

    Zitat

    Gould-Fans dürfen sich auf sämtliche autorisierte Columbia-Aufnahmen des berühmten Pianisten freuen, und zwar in noch nie dagewesener Qualität. Für die Digitalisierung mit dem hochauflösenden Direct-Stream-Digital-Verfahren (DSD) standen in den Columbia-Archiven die originalen Analogbänder Goulds zur Verfügung.

    Bei Wikipedia lese ich allerdings:

    Zitat

    Es existiert kein Nachweis, dass die von Entwicklern und Anwender behauptete Klangverbesserung von DSD gegenüber PCM tatsächlich existiert. In einer Studie der Hochschule für Musik Detmold konnten die Teilnehmer bei entsprechenden Blindtests keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen den Datenformaten hören. Der Autor der Studie zieht das Fazit, "dass selbst mit hochwertigstem Equipment unter optimalen Abhörbedingungen und unterschiedlichster Hörfokussierungen bzw. Hörerfahrungen der Probanden in der Regel keine signifikanten Unterschiede zwischen DSD und High Resolution PCM (24bit/176,4kHz) hörbar sind, sich demzufolge die These aufstellen ließe, dass sich keines der getesteten Systeme durch klangliche Eigenschaften hervorhebt." und verweist auf "das hohe Maß an Frustration, das viele Probanden, die in der Mehrzahl professionelles und kritisch-analytisches Hören gewohnt waren, während der Durchführung der Tests empfanden und das sie auf für sie nicht annähernd zu erkennende klangliche Unterschiede zurückführten

    Ist das im Allgemeinen tatsächlich so? Gibt es in diesem Forum Erfahrungswerte von kritisch-analytischen Hörern bezogen auf behauptete Klangverbesserungen bei DSD unterstützten Produktionen?

  • Es hieß früher einmal, es sei schwer, mit DSD aufgenommene Dateien zu bearbeiten; da sei PCM einfach besser. Daher wundert mich die Aussage, daß alle Masterbänder in DSD überspielt wurden - aber wer weiß, ob sie überhaupt in DSD bearbeitet wurden. Vielleicht hat sich das Nachbearbeitungsproblem bei DSD inzwischen gelöst.

    Ob es hörbare Unterschiede zwischen DSD 1Bit 2,82 MHz und PCM in 24Bit 192 kHz gibt? Ganz ehrlich, da ist der Rahmen so fein aufgelöst, daß es nur noch auf die Aufnahme- und Bearbeitungsqualität ankommt. Ist die Abmischung erfolgt und das Ergebnis als DSD und PCM ausgepielt, sehe ich verdammt wenige Chancen, wirklich Unterschiede zu hören. Im Vergleich zur CD mit 16Bit 44,1 kHz gibt es theoretisch Unterschiede, aber ob man das wirklich hört - eher weniger. Ist abhängig vom Equipment und Hörposition, aber selbst dann wären die Unterschiede marginal (wenn überhaupt erkennbar).

    Doch darf eine Sache nicht vergessen werden: diese Edition besteht aus CDs, nicht aus SACDs. Die Aufnahmen wurden zwar neu bearbeitet, aber sind als CD ausgespielt. Im Vergleich zur älteren Edition sind sicherlich Unterschiede zu bemerken, aber sonst ist das mit DSD eher eine Augenwischerei. Genausogut hätten sie PCM Hochauflösend nehmen können. Aber neuerdings werden viele Sony-CDs mit DSD remastered - was im Prinzip sowas wie AMSI bei eloquence ist. Reine Werbungsmaßnahme, würde ich sagen, um durch das neue Remastering mehr Kaufanreiz zu bieten.


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

    • Offizieller Beitrag

    Natürlich reines Marketing! Ich als Gouldianer, der natürlich auch angefixt bin, suche das Ganze kaufmännisch anzugehen. Ich besitze seit den 90ern die Glenn Gould Edition, die inhaltlich und klanglich im Grunde schon alles bietet. Diese weißen CDs habe ich bislang auch am Häufigsten gehört. Die spätere Glenn Gould: The Complete Original Jacket Collection bot dann dem Liebhaber und Sammler das spezielle Etwas, die originalen Plattencover in schmucker Box, das hatte schon was und überzeugt mich noch immer. Dass ich mich doch von ihr trennte, hatte mehrere Ursachen: Zum einen wirken Plattencover im CD-Format nicht, zum anderen war mir klar; dass irgendwann technisch überarbeitete Sachen (so gering die Resultate auch ausfallen würden) auf den Markt gelangen werden und zum dritten erzielte ich das Fünfache des Kaufpreises und hätte bei mehr Geduld das achtfache herausholen können. Ich gehe nun locker flockig davon aus, dass die 179 Euro sich irgendwann auch vervielfachen werden. Wo nicht, behalte ich die Box; auf dem Rechner habe ich ohnehin ALLE CDs ...

  • Jetzt höre ich auf Youtube gerade die Cellosonate opus 69 von Ludwig van Beethoven; es spielen Glenn Gould (Klavier) und Leonard Rose (Cello). Diese Aufnahme (sogar mit Film) ist für mich eine der schönsten Aufnahmen dieser Sonate (übrigens meine Lieblings-Cellosonate).

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich einmal resümiere, welche Rolle Glenn Gould in meinem Leben als dritte Klassikrevolution Vorstellungsecke und als Sammelschwerpunkt Die Sammlungen der Eroica-User gespielt hat; muss ich ganz ehrlich sagen, dass mein Verhältnis zum Kanadier einem deutlich nüchterneren gewichen ist, ohne dass er für mich ganz an Bedeutung verloren hätte. Aber man entwickelt sich, reift und setzt andere Schwerpunkte. Zunächst einmal ist mir klar geworden, dass Glenn Gould einer der ersten Klassikstars gewesen ist, nicht durch ihn selbst, aber durch die Medien und eine überdimensionale mediale Aufmerksamkeit hochgepuscht, die seinen Marotten fast mehr Interesse zuwandte als seiner Musik. Und dann höre ich ihn einfach seltener, weil es in praktisch allen Bereichen Alternativen gibt, die mir mittlerweile mehr zusagen. Am Ehesten bleibt er bei mir natürlich mit Bach und besonders den GBV verbunden; aber ich tendiere eben nun selbst auf diesem Feld auch durch dieses Forum mehr zu historisch informierten Aufnahmen. Die Klassiker Haydn, Mozart, Beethoven habe ich schon früher wesentlich lieber mit anderen Solisten gehört. Bleiben also mit einigen Bachstücken noch Brahms und die Modernen um Schönberg und Berg übrig, die weiterhin in meiner Hörbiografie vorkommen. Eine Gesamtausgabe aber scheint mir inzwischen unnötig; was ich von Glenn Gould brauche, habe ich längst. Und in der Essenz ist er längst Teil meiner eigenen Geschichte, meines ureigensten Wesens; ohne dass jemand zu sagen vermöchte, welche Rolle er inskünftig noch werde spielen können.

    • Offizieller Beitrag

    Ich begreife trotzdem nicht so richtig, warum Gould keine Klaviersonaten von Schubert, Schumann, Chopin, Brahms aufgenommen hat; erst recht nicht, warum nicht die h-moll von Liszt ...

  • Ich begreife trotzdem nicht so richtig, warum Gould keine Klaviersonaten von Schubert, Schumann, Chopin, Brahms aufgenommen hat; erst recht nicht, warum nicht die h-moll von Liszt ...


    Also, lieber Yorick,

    die Chopin Sonate hat er doch aufgenommen... oder ticke ich im Moment verkehrt?
    Bei Brahms gibt's ne Doppel CD mit den Intermezzi, Klavierstücken + Rhapsodien.

    Ich kann nur wiederholen... wenn mir Themen der PASTORALE in den Kopf schießen... sind sie seit etlichen Jahren in Tempi, Modulation, Rhythmus etc. stets mit Gould's genialer Interpretation verbunden (Liszt Transcription). Für mich ist diese meditative, höchstdifferenzierte Auslegung...

    einfach EINZIGARTIG.

    • Offizieller Beitrag


    Also, lieber Yorick,

    die Chopin Sonate hat er doch aufgenommen... oder ticke ich im Moment verkehrt?

    Ich meinte die 2. mit dem Trauermarsch, da hatte ich mich falsch ausgedrückt; er hat doch nur die 3. aufgenommen, oder!

    Bei Brahms gibt's ne Doppel CD mit den Intermezzi, Klavierstücken + Rhapsodien.

    Und die ist großartig, besonders die Intermezzi, wie ich finde. Aber warum nicht die drei Sonaten?


    Ich weiß, Gould präferierte kontrapunktische Werke, klare Strukturen und stand der thematischen Arbeit (Sonatenhauptsatzform) der Wiener Klassik samt Nachfolger zuweilen skeptisch gegenüber; nicht umsonst hat er so manche Sonate Mozarts und Beethovens gegen den Strick gebürstet und zur Kenntlichkeit entstellt. Auch verabscheute er bloßes Virtuosentum; dennoch, die h-Moll von Liszt hätte ich gerne von ihm gehört.

  • Wenn ich mir persönlich etwas von Gould gewünscht hätte, dann wären dies die Diabellivariationen und Mendelssohns/Schumanns Bachverbeugungen für Tasteninstrument solo gewesen. Wünschenswert wäre auch gewesen, wenn Gould sich vielleicht etwas intensiver mit der Orgelliteratur Bachs befasst hätte, gern auch in eher klavieristitischer Manier (siehe seine Einspielung der Bachschen Fugenkunst - als wenn man das Instrument nicht auch mit den Füßen traktieren könnte).

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich mir persönlich etwas von Gould gewünscht hätte, dann wären dies die Diabellivariationen und Mendelssohns/Schumanns Bachverbeugungen für Tasteninstrument solo gewesen. Wünschenswert wäre auch gewesen, wenn Gould sich vielleicht etwas intensiver mit der Orgelliteratur Bachs befasst hätte, gern auch in eher klavieristitischer Manier (siehe seine Einspielung der Bachschen Fugenkunst - als wenn man das Instrument nicht auch mit den Füßen traktieren könnte).


    Das hast du schön formuliert, hier schließe ich mich gerne an. *yes*

  • Zwei interessante CBC-Dokumentationen von Wolf Koenig und Roman Kroitor über Glenn H Gould, jeweils rund 30 Minuten, entstanden zwischen dem 22.06. und 29.06.1959:

    1) Glenn Gould - On the record (Aufnahmesitzungen zu Bach, BWV 971 (Italienisches Konzert)),

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    2) Glenn Gould - Off the record (Gespräche mit Gould in New York, Steinway, Ausstellungsraum und Goulds lakeside cottage).

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  • Ich weiß, Gould präferierte kontrapunktische Werke, klare Strukturen und stand der thematischen Arbeit (Sonatenhauptsatzform) der Wiener Klassik samt Nachfolger zuweilen skeptisch gegenüber; nicht umsonst hat er so manche Sonate Mozarts und Beethovens gegen den Strick gebürstet und zur Kenntlichkeit entstellt. Auch verabscheute er bloßes Virtuosentum; dennoch, die h-Moll von Liszt hätte ich gerne von ihm gehört.


    Wer könnte schon eine Aufnahme als echten Mozart oder Beethoven bezeichnen, eine andere Aufnahme dagegen als völligen interpretatorischen Mißgriff? Wenn ich authentische Wiedergaben bevorzugen würde, wäre ich gehalten mir solche auszusuchenn, bei denen Komponist und Interpret auf einem Tonträger identisch sind. Wenn Glenn Gould bisweilen vorgeworfen wird, er verfremde Mozart, Beethoven oder wen auch immer, so liegt das vielleicht daran, daß er historisch gewachsenes in Frage - bisweilen radikal in Frage - gestellt hat. Die einen suchen möglicherweise nach Klanglichkeit, andere, wie Gould, nach Strukturen in der Musik. Wenn man vor diesem Hintergrund Goulds "Vorliebe" für JS Bach (manchmal etwas fraglich) bedenkt, weiter bedenkt, daß Bach u.a. für Kontrapunkt, polyphone Klangereignisse steht, ist es meines Erachtens nur konsequent in Kompositionen von Mozart, Beethoven hiernach zu suchen und dies auch darzustellen. Bei Stegemann ist nachzulesen, daß Gould die Grundlagen seines Klavierspiels aus seinem Orgelspiel geschöpft hat. Vielleicht mag auch hierin ein Grund für Goulds Spielweise liegen, die manche als extremistisch bezeichnen, nämlich das Gefühl des Organisten für Baßlinien und Vielstimmigkeit auf das Klavierspiel zu übertragen.

  • Für mich stellt sich bei den vorerwähnten Künstlern eine Problematik des Verhältnisses zwischen Interpret und Publikum im Konzert dar ("Künstler vs. Publikum").

    Debussy meinte hierzu:

    "Die Anziehungskraft, die der Virtuose für das Publikum hat, ist ähnlich der des Zirkusses für die Menge. Man hofft immer, das etwas Gefährliches passiere."

    Dies hat wohl auch zur Folge gehabt, dass hochsensible Künstlernaturen, wie Michelangeli, Horowitz, Gould sich zeitweise oder ganz vom öffentlichen Musikbetrieb zurückgezogen haben. Die Erwartungen des Publikums gegenüber den öffentlich auftretenden Künstlern sind in den letzten Jahrzehnten ja auch sehr stark angestiegen, schließlich zeichnen sich Studioaufnahmen durch einen technischen Grad der Perfektion aus, der im Live-Konzert naturgemäß kaum erreicht werden kann. Man stelle sich den Live-Interpreten vor, der, nachdem er eine Passage fehlerhaft gespielt hat, vor das Publikum tritt und um einen zweiten Versuch bittet. Glenn Gould sprach in diesem Zusammenhang von "non-take-twoness", d.h. von der Unmöglichkeit des zweiten Versuchs.

    Zum Versuch einer Darstellung der Psyche Glenn Goulds, vgl. Peter Matussek.

    • Offizieller Beitrag

    Zum Versuch einer Darstellung der Psyche Glenn Goulds, vgl. Peter Matussek.

    Wie kommt man zu solchen spannenden Büchern? Oder bist du in der Branche?

    • Offizieller Beitrag

    1.DVD 1954-1974: Early TV Performances and program excerps 1954-1974; The Subject is Beethoven
    2.DVD 1992: Music in the USSR; Glenn Gould on Bach 3.DVD 1962 & 196
    3.DVD 1962 & 1963: Richard Strauss - A Personal View; The Anatomy of the Fugue
    4.DVD 1964 & 1966: Anthology of Variation; Duo Glenn Gould and Yehudi Menuhin
    5.DVD 1966: Conversations with Glenn Gould (Humphrey Burtons Interviews);Bach & Beethoven
    6.DVD 1966: Conversations with Glenn Gould (Humphrey Burton's Interviews);Strauss & Schönberg
    7.DVD 1967: Music for a Sunday Afternoon; Mozart & Beethoven; The Canada Centennial Concert
    8.DVD 1970: The Idea of North; The Beethoven Centennial Concert
    9.DVD 1974 & 1975:"Musicamera - Music in our Time" - The Age of Ecstasy 1900-1910 & The Flight from Order 1910-1920
    10.DVD 1975 & 1977:"Musicamera - Music in our Time" - New Faces, old Forms 1920-1930 & The Artist as Artisan 1930-1940


  • Wer könnte schon eine Aufnahme als echten Mozart oder Beethoven bezeichnen, eine andere Aufnahme dagegen als völligen interpretatorischen Mißgriff? Wenn ich authentische Wiedergaben bevorzugen würde, wäre ich gehalten mir solche auszusuchenn, bei denen Komponist und Interpret auf einem Tonträger identisch sind. Wenn Glenn Gould bisweilen vorgeworfen wird, er verfremde Mozart, Beethoven oder wen auch immer, so liegt das vielleicht daran, daß er historisch gewachsenes in Frage - bisweilen radikal in Frage - gestellt hat. Die einen suchen möglicherweise nach Klanglichkeit, andere, wie Gould, nach Strukturen in der Musik. Wenn man vor diesem Hintergrund Goulds "Vorliebe" für JS Bach (manchmal etwas fraglich) bedenkt, weiter bedenkt, daß Bach u.a. für Kontrapunkt, polyphone Klangereignisse steht, ist es meines Erachtens nur konsequent in Kompositionen von Mozart, Beethoven hiernach zu suchen und dies auch darzustellen. Bei Stegemann ist nachzulesen, daß Gould die Grundlagen seines Klavierspiels aus seinem Orgelspiel geschöpft hat. Vielleicht mag auch hierin ein Grund für Goulds Spielweise liegen, die manche als extremistisch bezeichnen, nämlich das Gefühl des Organisten für Baßlinien und Vielstimmigkeit auf das Klavierspiel zu übertragen.


    Suche nach Strukturen in der Musik / Überschreiten der Möglichkeiten des Instruments, d.h., das Instrument wird als ein sekundäres Mittel, als eine Art "Hygiene" im Sinne der Vorbereitung des "Materials" für die Interpretation benutzt / ideelle, nicht empirische Annäherung an die Musik / Darstellung/Realisierung einer Art kristalliner Struktur in Bachs Musik, die nicht mehr primär einem Instrumentalklang verpflichtet ist.

    Nachdenkenswerte Thesen, die man in einem sehr lesenswerten Interview mit Stefan Hussong wiederfindet.


    Zitat


    Ganz gewiß! Die erste Schallplatte, die ich aufgenommen habe, bestand aus einer Kombination von Bachs 'Goldberg-Variationen' gekoppelt mit einer Fantasie von Jan Pieterszoon Sweelinck, die im Thema B-A-C-H verwendet hatte, etwa 70 Jahre bevor Bach tatsächlich geboren wurde; wahrscheinlich war es überhaupt das erste Mal, dass diese Tonfolge als solche auftrat (Thorofon CTH 2047). Sie können sich natürlich vorstellen, daß diese Platte die heftigsten Reaktionen von euphorischer Zustimmung bis heftigster Ablehnung ausgelöst hat.

    Für mich war eine Aufnahme der 'Goldbergvariationen' von Glenn Gould der eigentliche Auslöser zu dieser Platte

    Gemeint ist diese Aufnahme des Variationszyklus':

    Das Interview ist hier nachlesbar.