• Vorfrühling


    Es fällt die Abenddämmerung
    vom Himmel nebelnd und weich,
    der laute Tag verstummet,
    einem müden Kinde gleich.

    Nur unsichtbar hernieder
    vom Wipfel im leeren Hag
    durch raschelnde Blätter des Vorjahrs
    ruft einer Drossel Schlag.

    Die Wolke löst sich rieselnd
    in Tropfen feucht und sacht;
    auf einsamem Wege befällt mich
    die dunkelnd einsame Nacht.

    Mir aber ist süß und sonnig
    von Träumen die Seele bewegt,
    wie selig vor seinem Geburtstag
    ein Kind zum Schlafen sich legt.


    Wilhelm Jensen (1837-1911)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Nächtiges Lied


    Das sind die singenden Nächte!
    Da wandelt durch meine Kammer
    Tönender Schmerz,
    Ein wildes, zerströmendes Schluchzen,
    Das ist mein Herz,
    Das kann nicht schlafen
    Und weint.

    Setz mich dann auf den Bettrand
    Und beginn zu singen,
    Wie Mütter ihr krankes Kindlein
    Zum Schlummern bringen:
    Schlafe, mein Herz, schlafe,
    Schlafe! ...


    Maria Janitschek (1859-1927)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Der Tag zieht furchtsam sich zurück


    Der Tag zieht furchtsam sich zurück,
    Der Abend wird um Abend dreister;
    Die Sonne senkt den matten Blick
    Und weicht dem Mond, dem jungen Meister.

    Schon les’ ich stundenlang bei Licht,
    Von lauter Stille nur umschlossen,
    Und leb’ für mich und merk’ es nicht,
    Wie viele Tage hingeflossen.

    O, dreißig schon! — Mir wird so bang’,
    Nicht Einen hat’s zu mir gerissen....

    Und stürb’ ich hier, langsam und lang’,
    Wer wird es seh’n? — Wer wird es wissen?


    Ludwig Jacobowski (1868-1900)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Verloren


    Ich kann es dir nicht sagen,
    Wie ich so verloren bin,
    Mein Herz ist mir zerschlagen,
    Zerrissen ist mein Sinn:
    Ich bin so krank und trübe,
    Und alles um meine Liebe,
    Von der ich geschieden bin.

    Am blauen Himmel ziehen
    Die Wolken luftig hin,
    Im Feld die Bäume blühen,
    Die Saaten grünen drin;
    Ich seh' hinüber so trübe,
    Und alles um meine Liebe,
    Von der ich geschieden bin.

    Die Lüfte füllt ein Klingen,
    Die Vögel jubeln drinn,
    Blühende Jungfraun singen
    Durch helle Gärten hin:
    Ich lausche hinaus so trübe,
    Und alles um meine Liebe,
    Von der ich geschieden bin.

    O Lenz, dich grüßt das Leben
    Duch Erd' und Himmel hin!
    Was soll ich Armer geben?
    Der Schmerz ist mein Gewinn:
    Ich traure trank und trübe,
    Und alles um meine Liebe,
    Von der ich geschieden bin.

    Ich kann es dir nicht sagen,
    Wie ich verloren bin,
    Mein Herz ist mir zerschlagen,
    Zerrissen ist mein Sinn:
    Ich bin so krank und trübe,
    Dahin ist meine Liebe,
    Mein Leben ist dahin!


    Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Weiß nicht, wieso ich darauf kam


    Weiß nicht, wieso ich darauf kam...
    Mir war, als lösten sich die Hände;
    Und wenn auch keiner Abschied nahm;
    Es überlief uns wie ein Ende...
    Nicht einer hat sich umgewandt,
    Wo sonst die Blicke Seufzer hatten,
    Nur weiter schob sich Land um Land
    Von dir zu mir in langen Schatten.

    Ich weiß, mein Herz ist herb und hart;
    Eh’ bricht wohl seine Kraft in Stücke,
    Eh’ meine tiefbesondere Art
    Heimkehrt auf selbstgelogner Brücke.
    Und jäh’ schwoll mein Groll und Gram
    Und überschüttete mein Sehnen,
    Weiß nicht, wieso mich’s überkam .. .
    Doch noch im Traume kamen Tränen.


    Ludwig Jacobowski (1868-1900)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Worte zum Abschied


    - - Und immer tiefer hüllt mich Armut ein
    In schlichtes Kleid, es loschen lichte Farben.
    Mein Herz muß an den grauen Straßen darben,
    die frohen Freunde ließen mich allein.

    Was je ich säte, fiel in Schutt und Stein,
    verbrannt die Reben und verdorrt die Garben.
    Wer waren, die mir lebten, die mir starben?
    Wer war je mein und wessen werd' ich sein ?

    O wende dich von mir und gib den Reichen,
    den Kühnen und den Schönen, die dir gleichen,
    — steigenden Adlern, sichern Stern im Blick, —
    gib ihnen Kraft und Segen deiner Hände, - -
    es neige einsam sich mein Weg dem Ende,
    daß du je warst, — wie mild war mein
    Geschick!


    Hans Kaltneker (1895-1919)

    P.S. Der Dichter starb, wie man es sehen kann, schon mit 25 an Tuberkulose. Nicht so ganz unwichtig, wenn man die Gedichte richtig verstehen möchte.
    "Er war ein großgewachsener Jüngling im Schiller’schen Sinn. Er hatte schöne schwarze, glänzende Haare, einen großen, sinnlichen Mund und in seinen Augen lag schon damals ein verdächtiger Glanz – verdächtig sage ich deshalb, weil er ja schon damals im Zeichen seiner sich bald bei ihm einstellenden Krankheit war.“ Hans Flesch-Brunningen


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Es zieht herauf die stille Nacht...


    Es zieht herauf die stille Nacht
    und decket alles Land;
    Groß, ruhig liegt die Sternenpracht
    Der Himmel ausgespannt.

    Es geht still und leis die Luft,
    Rings schlummert Blum´und Baum:
    O nur ein Klang, o nur ein Duft,
    Ein leiser Schöpfungstraum.

    Das ist für mich die süße Zeit,
    Mein dunkles Herz erglüht,
    Und Frieden, Schönheit, Seligkeit
    Durchfühlen mein Gemüt.

    Mein kühles, ernstes Herze lacht,
    Das tags erstarret stand:
    Mein dunkles Herz, die dunkle Nacht
    Sie sind sich ja verwandt.


    Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Stille Lieder. I.


    Durch die Lüfte geht ein Kosen,
    Junges Grün erwacht im Feld;
    Aus den Dornen brechen Rosen,
    Lerchenjubel füllt die Welt.

    Was soll diese Luft dem Herzen,
    Das sich so verlassen fühlt?
    O wie all das Jubeln, Scherzen
    Mir im Busen schmerzlich wühlt!

    Winde hebet an zu klagen,
    Braus' empor, du stiller See!
    Ach! in diesen schönen Tagen
    Fühl' ich doppelt all mein Weh!


    Ludwig Pfau (1821-1894)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Eine Reise


    Du bist zurück an Heim und Herd.
    Im Dunstkreis liegt die Ferne.
    Die Insel war 'ne Reise wert.
    Am Himmel glänzten Sterne.

    Das Wetter war ein Traum für sich,
    denn keine Spur von Regen.
    Es kam zu keinem Sonnenstich,
    der Schatten hielt dagegen.

    Das Essen wirklich ein Gedicht.
    Die Küche war echt prima.
    Es gab zwar nie dein Leibgericht,
    doch Wein, aus jenem Klima.

    Zwei Wochen aber sind genug.
    Denn du bist hier gebunden.
    Dein Freund ist sicher auf Entzug.
    Du hast zu-ihm-zurück-gefunden.


    Roman Herberth

    für... ;)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Übung am Klavier


    Der Sommer summt. Der Nachmittag macht müde;
    sie atmete verwirrt ihr frisches Kleid
    und legte in die triftige Etüde
    die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,

    die kommen konnte: morgen, heute abend -,
    die vielleicht da war, die man nur verbarg;
    und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
    empfand sie plötzlich den verwöhnten Park.

    Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte
    die Hände; wünschte sich ein langes Buch -
    und schob auf einmal den Jasmingeruch
    erzürnt zurück. Sie fand, daß er sie kränkte.


    Rainer Maria Rilke (1875-1926)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Stille Lieder. II.


    Du armer Baum, so abgehauen,
    In deiner besten Jugendkraft!
    Am Stamme muß jetzt niederthauen
    Als Thränenstrom dein Lebenssaft.

    Empor willst du noch Keime schicken,
    Und stehst doch kahl und ästelos;
    Dein eigner Trieb muß dich ersticken,
    Zurückgedrängt in deinen Schooß.

    So, däucht mir, muß auch ich verderben,
    Ertränkt in meinem eignen Saft;
    An meiner Fülle muß ich sterben,
    Verzehrt von meiner eignen Kraft.

    Die Äste sind auch mir genommen,
    In die ich Leben senden soll;
    Und wie der Baum muß ich verkommen,
    Und sterben, innern Lebens voll.


    Ludwig Pfau (1821-1894)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Die Sonne und die Tiere


    “O Sonne, scheine nicht so heiß!
    Ich muß vor Mattigkeit und Schweiß
    Bei meiner Arbeit fast erliegen.
    So rief der Esel. –

    “Dank für deinen heitern Schein,
    O Sonne! rief die Schlange. “Mit Vergnügen
    Leg’ ich mich stundenlang hinein. –
    Die Eule schrie: “Verschone mein Gesicht
    Mit deinem mir verhaßten Licht,
    O Sonne! kann ich doch kein Schlupfloch finden,
    Wohin dein Strahl nicht dringt; ich werde noch erblinden.
    “Wohltät’ge Sonne, sei mir stets geneigt!
    Hub eine Feldmaus an. “Es reifen meine Ähren,
    Vollauf kann ich mich wieder nähren.
    Sie Sonne hört es an, scheint fort und – schweigt.


    Johann Gottlieb Willamov (1736-1777)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Abendlied.


    In grüner Wälder Mitten
    Hab’ ich den Tag verbracht,
    Der Abend kommt geschritten
    Und hinter ihm die Nacht.
    Die alten Tannen greifen
    Hinauf ins Abendgold,
    Und blasse Wolkenstreifen
    Verziehn im Westen hold.

    So stille wird auf Erden
    Es nach des Tages Lust,
    Und Abend will es werden
    Auch hier in meiner Brust.
    Noch spielt mein letztes Lieben
    Darin wie Rosenschein,
    Bald wird auch dies Zerstieben
    Und alles dunkel sein.

    O Nacht, sei mir willkommen!
    Du bringst ja süßen Schlaf;
    Da wird von mir genommen,
    Was schmerzlich mich betraf:
    Die Liebe und die Lieder,
    Die Freude und das Leid —
    Mich weckt kein Frühling wieder
    Und keine Morgenzeit!


    Franz Wisbacher (1849-1912)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Mir ist, als flösse dieser Bach da draussen


    Mir ist, als flösse dieser Bach da draussen
    ein heimlich Bette in mir selbst herab
    und spülte nun den lange trocknen Grund
    zu neuem sonderbaren Leben auf;
    wie Moos und Flechte legt's gelöste Arme
    in sein Gefäll, wie klein und grosse Kiesel
    befreit es sich und läuft mit ihm des Wegs; -
    mir ist, ich spürte, wie die Welle wühle
    und nichts mehr fest und sicher in mir sei,
    und fühle mich beunruhigt hingegeben
    in eines wunderlichen Spiels Gewalt.


    Christian Morgenstern (1871-1914)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Gedenkst du noch?


    Und wenn das Bächlein wieder klingt
    An deinem Dach die Schwalbe singt,
    Der Anger und die Bäume grün,
    Im Gärtchen neu die Blumen blühn,
    Wenn nun die kalte Zeit verstrich —
    Denkst du zuweilen noch an mich?

    Gedenkst du noch der Jugendzeit,
    Der Thränen und der Seligkeit,
    Die wir geweint, die uns berauscht,
    Als Herz und Küsse wir getauscht?
    Vergessen ist’s und längst vorbei —
    Es war im schönen Monat Mai.

    Am Fenster sitzt die Frau vom Haus,
    Ihr Blick fällt auf den Weg hinaus,
    Viel Leute da vorübergehn,
    Doch Einen wird sie nimmer sehn,
    Der ist so bleich und steht so fern,
    Wie dort der blasse Abendstern!


    Franz Wisbacher (1849-1912)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Freunde, die wir nie erlebten.


    Ihr, die nie ich sah,
    Nimmer menschlich sehe,
    Seid mir nun so nah,
    Wenn ich einsam gehe.

    Was ich weiß, nicht wußte
    Über euch, hab' ich's versäumt?
    Ich's verfehlt? -
    Oder mußte
    Fern vergehn, was ich erträumt? -

    Schenkte Gott die Kunst, das Wort
    Ferner, Toter nachzulesen.
    Ach wie heiß mich das beschlich:
    Dann und dann und da und dort
    Ist ein Herz wie meins gewesen,
    Still für sich.

    Tröstliches Gefühl: Es dächte
    Später wer so über mich. -
    Keine aller Erdenmächte,
    Wär sie noch so übermütig,
    Kann uns trennen,
    Die wir Gleiche sind zu nennen.

    Denn wir waren nie gesellt,
    Weil der Gott uns weise, gütig
    Fern vonander aufgestellt,
    Wissend um die Welt.


    Joachim Ringelnatz (1883-1934)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Der letzte Weg


    "Ich gehe ins Wasser," sagte sie leis,
    "Ade!"
    Du hast es gut mit mir gemeint.
    So weiß ich einen, der um mich weint.
    Hab Dank!"
    Ich aber sah ihr tiefes Weh
    Und küsste sie, die arm und krank,
    Und sagte: "Geh!"


    Joachim Ringelnatz (1883-1934)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Du träumtest ...


    Du träumtest dieses Lebens Wirren ferne,
    Und durch den Traum nur drang ein Laut der Erde
    Und kam und ging gleich einem Wanderer,
    Von dessen Schritte nachts die Straßen hallen,
    Der deinem Fenster so vorübergeht,
    Daß nur ein Hallen dir von ihm bekannt,
    Sein Antlitz nicht und seines Leibes Wuchs
    Und seine Seele nicht und seine Stimme;
    Er geht vorüber, und der Schritt verhallt,
    Auf deinem Lager horchst du eine Weile:
    „Wer ging vorüber ..?“ – Dann entschlummerst du.


    Walter Calé (1881-1904)
    "...Trotz eines unübersehbar todessehnsüchtigen Zuges in Calés Gedichten erschien sein plötzlicher Freitod am 3. November 1904 völlig überraschend."


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • An meinen Lehrer


    Ich war nicht einer deiner guten Jungen.
    An meinem Jugendtrotz ist mancher Rat
    Und manches wohlgedachte Wort zersprungen.
    Nun sieht der Mann, was einst der Knabe tat.

    Doch hast du, alter Meister, nicht vergebens
    An meinem Bau geformt und dich gemüht.
    Du hast die besten Werte meines Lebens
    Mit heißen Worten mir ins Herz geglüht.

    Verzeih, wenn ich das Alte nicht bereue.
    Ich will mich heut wie einst vor dir nicht bücken.
    Doch möcht ich dir für deine Lehrertreue
    nur einmal dankbar, stumm die Hände drücken.


    Joachim Ringelnatz (1883-1934)

    (für Arnulfus )


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)

  • Herbsttag.


    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.

    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


    Rainer Maria Rilke (1875-1926)

    (für Ulli)


    "Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
    Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
    So sei mir wenigstens für das verbunden,
    Was ich zurück behielt."
    (Lessing)