01 - Die HOCH- und nicht ganz so HOCH-DRAMATISCHEN

  • 15. Inge Borkh "Ich komm vom Theater nicht los"





    Inge Borkh „Ich komm vom Theater nicht los“

    Inge Borkh’s erstes autobiographisches Buch (1996) trägt den Titel „Ich komm vom Theater nicht los“. Es ist ein sehr ehrliches, undivahaftes Buch, das sich kaum der üblichen Klischees bedient. Dieser offenlegende Buch-Titel entspricht wohl hautnah ihrer gelebten Wirklichkeit. Ich war nur 3x in München in der Oper...und zwar im >Theater am Gärtnerplatz<.... 2x traf ich dort Inge Borkh. Das letzte Mal ist zwar fast 10 Jahre zurück, wenn sie noch gesund ist, bin ich sicher, dass sie nach wie vor im Publikum zu finden ist, obwohl sie mittlerweile 90 Jahre alt ist.

    Einmal habe ich Inge Borkh noch auf der Bühne erleben dürfen, es kann 1972 gewesen sein, es war in ihrer vielleicht wichtigsten Bühnenrolle als ELEKTRA in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss. Die Darstellung des Elektra-Schicksals hat - nach Ansicht der Künstlerin – Ihr Leben maßgeblich beeinflusst. Sie habe umgekehrt ihre eigenen Lebenserfahrungen über den Zeitraum von 25 Jahren in die Gestaltung dieser Rolle einfließen lassen.

    Als Höhepunkt ihrer Karriere sieht sie ihre Auftritte in NY, an der MET und in der Carnegie Hall, vor allem unter dem Dirigenten Dimitri Mitropoulos. Im Jahre 1958 sang sie zunächst die SALOME . Nach DER Welitsch war es für alle Sängerinnen eine Hypothek die Titelrolle dieses Werkes an der MET zu singen. Inge Bork schreibt : „Übrigens ein amüsanter Zufall, durch meinen Mann, der aber nicht mit Ljuba (Welitsch) verwandt ist, hieß auch ich Welitsch). Ihre >Salome< wurde ein riesiger Erfolg. Im selben Jahr (1958) sang sie am selben Haus die Sieglinde und als Höhepunkt mehere Male die „Elektra“ konzertant in der Carnegie Hall, wiederum mit ihrem Lieblingsdirigenten Mitropoulos.

    Im Alter von 29 Jahren hatte sie 1950 mit dieser Rolle ihr Debut in Bern gegeben; 10 Jahre zuvor hatte sie in Luzern 19jährig im „Zigeunerbaron“ ihre Karriere als Czipra begonnen. Gestartet war die Borkh auch in Schauspiel und Tanz. Nach 11 Jahren Schweiz kam 1952 Bayreuth, wo sie „Freia“ (Rheingold) und „Sieglinde“ (Walküre) sang.

    Im Italienischen FACH war sie ebenfalls sehr gefragt und erfolgreich: z.B. in „Tosca“ und „Turandot“ von Puccini, „Aida“ und „Lady Macbeth“ von Verdi. Sie sang viel die „Leonore“ in Beethovens Oper Fidelio, Iphigenie (Gluck), Medea (Cherubini). Neben den genannten Rollen, sang sie von Strauss auch die „Ägyptische Helena“, sowie „Kaiserin“ und „Färberin“ in der FROSCH. (Frau ohne Schatten). Sehr erfolgreich war Inge Borkh auch als „Senta“ und „Elsa“ im Holländer und Lohengrin von Wagner. Auch für die Opern Carl Orff’s hat sie sich am Ende ihrer Karriere sehr engagiert.

    Auf CD ist I.B. auch in der 9. Beethoven (Leibowitz) und als „Tove“ unter Kubelik in Schönbergs genialen, spätromantischen „Gurrelieder“ zu hören...außerdem gibt es mehere Recitals auf Platte/CD mit ihr.

    Die Darstellung der „Färberin“, Barak’s Weib, durch diese Sängerin, mit ihrem warmen, dunklen, als auch energetisch-dramatischem Stimmen-Kolorit, ist für mich einer >meiner Höhepunkte< im Opern-Repertoire überhaupt. Seit Tagen höre ich die FROSCH mit ihr, DFD als Barak, der Bjoner und Jess Thomas als als „Kaiser/in“ und der Mödl als „Amme“ (unter Keilberth)... und kann mich an der Borkh nicht satt hören.

    Inge Borkh ist eine Sängerin gewesen, die nicht den Schritt hin zu den Rollen von >Brünnhilde und Isolde< getan hat. Sie wird wissen warum. Eine Isolde hätt ich mir sehr von ihr gewünscht... doch wenn ich richtig informiert bin, hatt sie diese niemals öffentlich gesungen. Wenn doch, gibt es eine Belohnung für einen glaubwürdigen Hinweis.


    Arnulfus

  • Gern! Erstmal danke für die nette Begrüßung! Mal sehn, wann mir genügend Zeit bleibt, die nächste Liste zu starten. Vorschlag: Lasst uns doch eine kleine Umfrage durchziehen, Freunde! Welches soll das nächste Stimmfach sein?

    LG,

    Zerbinetta_20


    Hallo Zerbinetta,

    herzlich Willkommen, schön, wieder mal eine Userin hier zu sehen, die auch dem Gesang verfallen ist und in meiner Gegend wohnt.

    Ich werde demnächst mal mit den Koloratursopranen beginnen, da gibt es ja unzählige, mal sehen, wann ich dazu komme.

    :wink:

    musica :wink:


  • 1. Gertrude Grob-Prandl
    2. Kirsten Flagstad
    3. Frida Leider
    4. Hildegard Behrens
    5. Ingrid Bjoner
    6. Berit Lindholm
    7. Caterina Ligendza
    8. Susan Owen
    9. Luana de Vol
    10. Anja Kampe
    11. Elizabeth Connell
    12. Anja Silja
    13.Janice Baird
    14. Astrid Varnay
    15. Inge Borkh

  • 16. Daniza Mastilovic: ein hochdramatisches Grosskaliber


    www.youtube.com/watch?v=WvbIDOGu4J8

    Ab 1959 gehörte DIE MASTILOVIC zum Frankfurter Opernensemble. Über 25 Jahre war sie DIE HOCHDRAMATISCHE im Frankfurter Haus. Sie hatte eine sehr große Sopranstimme von eindrucksvolle Präsenz, insbesondere bei Richard Strauss und Wagner. Neben der Elektra wurde sie ab Ende der sechziger Jahre vorallem als Turandot an allen großen Häusern gefeiert, an der MET, wie an der Scala. Ich habe Sie in Frankfurt als Lady Macbeth, Turandot,Kundry, und Isolde gehört. Ihre Stimme war eindrucksvoll, hatte enorme Durchschlagskraft, war vielleicht nicht in sehr hohem Maße differenziert, insbesondere nicht im Piano.

    Bewundert habe ich die Mastilovic auch als Küsterin und Abigalle, so wie Ortrud. Gielen hatte sich in den SIEBZIGERN gegen sie und für Carterina Ligendza für den berühmten BERGHAUS-RING entschieden. Ich glaube, daß vorallem die Berghaus sich die serbischen Sängerin als Musiktheaterdarstellerin nicht vorstellen konnte. Sie sang und sang... aber ihre schauspielerischen Möglichkeiten waren wohl begrenzt. Als ELEKTRA fand ich sie auch darstellerisch überzeugend. Als Färberin habe ich sie leider nicht gehört.

    Ich schreibe heute über sie, weil ich eine Rundfunk-Aufnahme des Finales der Götterdämmerung mit ihr unter Erich leinsdorf wiedergefunden habe. (RSO Berlin). Diese Aufnahme ist grandios in Ausdruck, Strahlkraft und Differenziertheit. (Anfragen sind willkommen) In Bayreuth hat sie im RING über viele Jahre nur kleinere Rollen gesungen (Böhm-RING). Ihre letzten Auftritte waren in Pretoria und am Landestheater Salzburg als Klytämnestra in Elektra im Jahr 1988. Offizielle Aufnahmen mit ihr: eine der Walküren (Siegrune, Gerhilde und Helmwige) in den kompletten Aufnahmen von Der Ring des Nibelungen unter der Leitung von Karl Böhm und Herbert von Karajan 1966 und 1967.

    Arnulfus

  • Ergänzend zu meinem Artikel über die Frankfurter "Hochdramatische", von der ich leider fast NICHTS bei JPC + Amazon finde, es aber ETLICHES >INOFFIZIELLES> von ihr gibt, zb. aber auch die "offizielle Rundfunk-Aufnahme" mit dem RSO Berlin unter Leinsdorf... fand ich gerade noch : >>>Theodore Bloomfield dirigierte zu Beginn der Spielzeit 1966/67 Verdis "Aida", die Bohumil Herlischka und Teo Otto von der "Patina historisierender Prachtentfaltung" befreit hatten; an der Spitze des Ensembles standen Daniza Mastilovic, Nikola Nikolov und Norman Mittelmann.<<<

    Ich besitze leider kein technisches KNOW HOW, um Bilder von dieser großartigen Sängerin in diesem Artikel zeigen zu können.

    Aber mein oben genanntes Angebot gilt.


    Arnulfus

  • Lieber Arnulfus, was du hier geschrieben hast, hat mich soeben zu Tränen gerührt, ich sehe noch alles vor mir, die schwebenden Rheintöchter, Siegfried in kurzen Hosen und die grooooßartige Ligendza mit den Flügeln auf dem Küchenstuhl sitzend den Kopf etwas zur Seite, umlodernd vom Feuer und Wotan mit dem erhobenen Speer vor dem Hügel, (Wer meines Speeres Spitze fürchtet, durschreite das Feuer nie!), Siegfried und Brünnhilde auf dem liegenden Pferd am Anfang der Götterdämmerung und
    Gutrune ganz zum Schluss durch das Fernrohr blickend, was sehe ich ?

    Das alles hast du so Wunderschön dargebracht, für diese Erinnerung Danke ich dir sehr ! *danke*

    Ich werde sie ebenfalls nie VERGESSEN!
    :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    ps: Ich war damals auch bei einigen Proben dabei, und habe gesehen wie intensiv die ALLE gearbeitet haben !

    Auch die Erinnerungen an, Daniza Mastilovic (sie war als Elektra besser als die Nilsson, ihr Schluss gestampfe am Ende der Elektra und dieser Ausdruck, Unvergesslich), Anja Silja ( Frakfurts großer Liebling, ich sage nur Trojaner), Luana de Vol, Elizabeth Connell, beide im FroSch!!
    Warst du auch bei den beiden Abenden im Holzhausen Schlösschen mit Inge Borkh dabei ? :umfall:
    Ach, diese Erinnerungen kann einem Niemand nehmen !

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Lieber Arnulfus, ich habe diesen Thread gerade erst entdeckt und bin von einer, durch Begeisterung hervorgerufenen, Ohnmacht in die nächste gefallen, bei all den grandiosen Sängerinnen, die du hier wunderbar einfühlsam vorgestellt hast. Ich danke dir ganz, ganz herzlich dafür.

    Nun lass mich eine weitere Sängerin hier anführen, meine geliebte Gwyneth Jones.

    Die Jones (*1936) stammt wie auch Margaret Price oder Bryn Terfel aus Wales. Debütiert und erste Opernerfahrungen (als Mezzo) hat sie aber, nach Studien in London, 1962/63 in Zürich gesammelt. Aber schon 1963 vollzog sie den Fachwechsel zum Sopran und sang zunächst dort, später v.a. in London Partien des jugendlich-dramatischen Fachs wie Amelia, Aida, Elisabetta, Donna Anna. Aber auch Partien im deutschsprachigen Repertoire kamen, trotz durchaus problematischer Diktion, hinzu. So Leonore, Salome und erste Wagner-Partien. In diese Zeit fällt ebenso ihre internationale Karriere mit Stationen in u.a. in New York, Mailand, Wien.

    Ab 1966 sang sie dann (bis 1980) in Bayreuth, wobei ihre Brünnhilde im 'Jahrhundert-Ring' von Patrice Chereau sicherlich am berühmtesten ist. Hochdramatische Rollen interpretierte sie dann international bis in die neunziger Jahre, bevor sie einen Rollenwechsel zum Charakterfach vollzog. Dieses Jahr war sie noch als Gräfin in Pique Dame in Braunschweig zu erleben.

    Gwyneth Jones hat in ihrer Sängerlaufbahn eine breites Repertoire von Monteverdi bis zu Uraufführungen gesungen. Dabei war ihre Stimme nicht unumstritten. Stets war sie unverwechselbar, aber vielleicht nicht unbedingt wegen ihres Timbres, sondern wegen ihrer Art des Singens und wegen ihrer Tonproduktion. Hohe Töne wurden oft angeschliffen, klangen auch häufig hart und durchdringend, saubere Tonhöhe war nicht unbedingt ihr Fall und die Diktion war durchaus zweifelhaft.

    ABER! Die Jones war stets eine Sängerin, die sich fraglos und hemmungslos in eine Partie hineinwarf. Und auch wenn die Höhe manchmal 'schräg' klang, war sie da und gleichzeitig trafen einen diese Töne (und das ist durchaus positiv gemeint). Und wenn sie auftrat (und ich habe sie, Gott sei Dank, unglaublich oft noch erleben dürfen), dann war man gebannt, ob ihres Spiels, ihrer dramatischen Ehrlichkeit, dieser brennenden Spitzentöne und auch des Wissens darüber, dass da jemand auf der Bühne steht, der diese Partie durchsteht.

    Eines muss ich ihr allerdings ankreiden. :) Sie hat die Partie der Elektra für mich völlig ruiniert. Niemand, den ich danach gehört habe, hat diese existenzielle Wucht auf der Bühne verkörpern können, hat mich mit so viel Schmerz und auch Rausch in den Abend entlassen. Bei ihr habe ich gezittert wegen des Dramas. Bei anderen wegen der Stimme.

    Es war oft 'schräg', wenn ich sie gehört habe, aber es war immer etwas Einmaliges. Ich verdanke ihr ganz, ganz viele wunderbare und auch (im positiven Sinn) verstörende Opernabende. Dafür wird sie immer in meinem Herzen sein.

    Die Jones muss man live erlebt haben. Die Studio-Aufnahmen geben nicht annähernd wieder, was sie wirklich war. So dann als Empfehlung hier also ihre Brünnhilde unter Boulez. Aber es lohnt sich durchaus auch ihre Aida und Elisabetta, ihre Lady und ihre Marschallin und v.a. ihre Elektra und Isolde zu hören. Ach nein, eigentlich alles von ihr.

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    Liebe Grüße
    Thies :wink:

  • Zitat von Falstaff

    Die Jones muss man live erlebt haben. Die Studio-Aufnahmen geben nicht annähernd wieder, was sie wirklich war. So dann als Empfehlung hier also ihre Brünnhilde unter Boulez. Aber es lohnt sich durchaus auch ihre Aida und Elisabetta, ihre Lady und ihre Marschallin und v.a. ihre Elektra und Isolde zu hören. Ach nein, eigentlich alles von ihr.


    Lieber "Falstaff",

    DANKE für Deinen Bericht über die JONES.
    Mir ist bei diesem Thread (Die DRAMATISCHEN und die...) damals die Luft ausgegangen.
    Vielleicht hing es damit zusammen, daß ich mich vor 5 Jahren >>opernmäßig<< auf dem Forum ein bißchen alleine gefühlt habe

    Im Moment kann ich mich nur an ein LIVE-Erlebnis mit Gwyneth Jones erinnern.
    Mit Simon Estes zusammen sang sie das Finale der WALKÜRE (Brünnhilde + Wotan).
    Das war bei den PROMS in London vor ca 25 Jahren. Ich habe Beide in guter Erinnerung.

    Es grüßt...Arnulfus