Dirigent Kurt Sanderling geb. 19.09.1912 -- gest. 17.09.2011
An Sanderlings Todestag war ich im TRISTAN der Ruhrtrienale in der Bochumer Jahrhunderthalle. Ich weiß wenig vom Operndirigenten Sanderling. Aber zu diesem großartigen Künstler paßt die Szene des 3. Aufzugs im TRISTAN: Kurvenal singt fragend zum dahinsiechenden TRISTAN: "Bist Du nun tot, wirklich tot...?"
Ich hoffe, daß Sanderling ein ähnlich langes Dahinsiechen erspart geblieben ist, da er aber 99 Jahre alt geworden ist, stellt sich diese Frage natürlich. Sanderling ist tatsächlich gestorben. Noch vor einigen Jahren hat er Konzerte geleitet... und wenn ich die Zeitung las, guckte ich stets zuerst auf den Vornamen... war es tatsächlich noch KURT oder einer seiner beiden Söhne, die ebenfalls dirigieren.
Er ist in der Tat der LETZTE der Generation von Dirigenten, die vor dem 1. Weltkrieg geboren sind, die nun nicht mehr da sind. Um 1910 herum geboren sind ebenfalls Karajan, Berstein, Dorati, Solti, Celibidache und GünterWand, die schon in die ewigen Jagdgründe eingegangen sind.
Die ausgefallenste Vita von diesen ALLEN, hat Kurt Sanderling. Mit 20 Jahren war er bereits Korrepititor an der Berliner Städtischen Oper...und glühender Verehrer seiner Vorbilder Klemperer und Furtwängler. Da er jüdische Wurzeln hatte, konnte seine Karriere ab 1933 in Deutschland nicht weitergehen. Zwei Jahre später war er zur Emigration bereits gezwungen... und hatte die Wahl zwischen den USA und Russland. Sich die größeren Chancen erhoffend, entschied er sich für die Sowjetunion. Über Charkow (ab 1935), Nowosibirsk, landete er bald bei den Leningradern... und galt intern unter Musikern bald als geschätzte Alternative zum autoritären Mravinsky. David Oistrach, der vielleicht berühmteste russische Geiger, spielte lieber unter Sanderling... und das auch in den nachfolgenden 30 Jahren seiner Karriere.
Am Schicksal Schostakowitsch's lernte er für sein Leben, daß die Kreativität der Kunst durch einen totalitären Staat kaputt gemacht wird. Diesen Komponisten hat Sanderling Zeit seines Lebens besonders protagiert, war ihm auch persönlich verbunden. Seine Domäne war vorallem die Deutsche Romantik/Spätromantik....aber auch die "Moderne" der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Ab 1956 dirigierte er in beiden Deutschen Staaten, entschied sich dann aber für 15 Jahre zur Leitung des (Ost) Berliner Sinfonie Orchesters, welches er zu einem grandiosen Klangkörper formte, auch wenn dies im Westen Deutschlands VIELE nicht mitbekamen. Ab 1977 war er ein weltweit gefragter Dirigent, OHNE Starallüren.
Für mich hatte er bei aller schnörkellosen Gradlinigkeit ein Fabel für den mächtigen Orchesterapparat. Für mich hatte er auch die besondere Fähigkeit romantische Musik nicht nur zum >Klingen< sondern auch zum >Sprechen< zu bringen.
Arnulfus