Beiträge von pm.diebelshausen

    Klarheit kommt nur auf, wenn opi so verstanden wird , dass es sich auf Instrumente der Entstehungs- und Aufführungszeit eines bestimmten Werkes bezieht.,

    Wobei Du noch nicht auf meine Argumente eingegangen bist, die es mir vergällen, bei zeitgenössischer Musik respektive aktueller Epoche von opi zu sprechen. Die Worte des Begriffs opi beinhalten das nicht, aber ich verstehe ihn im Zusammenhang mit der gesamten Bewegung, mit der er in meinen Augen zwingend verknüpft ist, sprich: "dass es sich auf Instrumente der vergangenen Entstehungs- und Aufführungszeit eines bestimmten Werkes bezieht". Opi macht eine andere musikalische Arbeit nötig. Allein in diesem kursiv gesetzten Wörtchen kondensiert unsere unterschiedliche Sichtweise. Was übrigens nicht schlimm ist, um auch das mal erwähnt zu haben.


    *sante*

    Natürlich, nur gibt es keinerlei Aussagen damaliger Komponisten dazu. Mir ist nicht bekannt, dass irgendeiner gesagt hat, das muss auf Darmsaiten gespielt werden, also muss damals der klangliche Unterschied schon sehr gering, wenn nicht vernachlässigbar gewesen sein.

    aus dieser Zeit gibt es schon sehr gute Aufnahmen, die einen hören lassen, wie man damals Beethoven und Bach gespielt hat (falsch!) und wie die Orchester geklungen haben.

    Beide Aussagen zusammen sind der Punkt, der mich oben irritiert hat, weil mir die Schlussfolgerung "klanglicher Unterschied muss vernachlässigbar gewesen sein" nicht zwingend einleuchtet.


    Bach wurde nicht nur (im Sinne von hip und opi) falsch gespielt, sondern klang auch falsch und niemandem ist es aufgefallen oder vielmehr einen Gedanken wert gewesen oder zumindest auf etliche Jahrzehnte noch wirklich relevant geworden. Das ist natürlich viel zu verallgemeinernd und simplifizierend gesagt und klammert die Kinderschuhe der Alte Musik Bewegung aus. Aber es geht mir um die Prägnanz und die Bedeutung für den Wandel in der Musik und die gewannen erst ab den 60er Jahren großflächige Bedeutung, wenn auch z.B. Landowska 1933 (nicht alles zu dieser Zeit war Stillstand und am Erbräunen) erstmals den Goldberg auf dem Cembalo ins Rampenlicht hievte.


    In meine Augen war nicht der klangliche Unterschied aufgrund fehlender Aussagen dazu logischerweise vernachlässigbar, sondern es gab keine Aussagen über klanglichen Unterschied, weil sie noch nicht denkbar waren. Selbst als sie denkbar waren und begannen, die Musikszene aufzumischen, waren die Kräfte gegen sie stark und noch heute wird Musik wie Goldberg ständig ohne relativierenden Hinweis auf die etablierte Tradition moderner Klanggestalt mit dem modernen Flügel eingespielt. Dass also alle neue Musik ab dem späten 19. Jahrhundert bis heute gleichermaßen opi nämlich klanglich identisch modern gespielt wurde, ergibt sich für mich aus obigen Argumenten nicht unbedingt.


    *sante*

    Wo auch immer die Grenze zu ziehen ist, meine Argumentation bezog sich auf die Verwendung des opi-Begriffs auf die Zeit ab dieser Grenze und dass sich stattdessen period auf etwas Vergangenes, eine vergangene Epoche bezieht. Gerade wenn Deine guten Argumente bezüglich der Gleichförmigkeit der Klangquellen seit der "wenn auch schwammigen Grenze" bis heute gelten, befinden wir uns in derselben Instrumenten- oder Instrumentations-Epoche, die erst künftig, nachdem sozusagen erst im Nachhinein absehbare signifikante Modernisierungen in diesem Bereich stattgefunden haben werden, eine vergangene und ggf. zu rekonstruierende sein wird. Bis dahin meint opi etwas anderes als omi, siehe dieses Forum und Ulis Postulat, das ich offenbar im Gegensatz zu Liebestraum lieber noch enger fassen würde.


    Die fortwährende Nutzung älterer Instrumente ist ein interessanter Punkt, zudem das in einiger Hinsicht auch auf frühere Epochen zutrifft. Ich glaube, das war schon mehrfach Thema hier im Forum.


    Ebenso bedenkenswert ist das Schweigen über Instrumente in zwei Dritteln des 20. Jahrhundert: ich greife mal den genannten Strawinski heraus, der in seinen letzten, nämlich 80er Jahren war, als die Alte Musik Bewegung, das historisch informierte Musizieren und das Interesse an alten Instrumenten überhaupt erst Fahrt aufnahmen. Gerade das scheint mir mehr mit dem zuvor nicht in Frage gestellten und praktizierten Fortschrittsgedanken zu tun zu haben, den zu brechen eine der Hauptschwierigkeiten der Alte Musik Szene war, gelten doch vielen auch heute noch moderne Instrumente als besser, sonst hätten sie die alten ja nie verdrängt. Das war eine Selbstverständlichkeit, weshalb auch niemand auf einer Partitur vermerkt hat "Bitte nicht on period instruments interpretieren". Hihi. In dieser Hinsicht hat die Konservierung von Musik durch moderne Aufnahme- und Verbreitungstechnik sehr dazu beigetragen, Konservativismus zu zementieren und die moderne Instrumentation seit der schwammigen Grenze nicht nur zu überhöhen sondern auch rückwirkend, nämlich auf die Vergangenheit bezogen überzustrapazieren - gerade deshalb die lange belächelte Wiederentdeckung und -wertschätzung alter Klangformen und dieses Forum und nicht weil alles im 20. Jahrhundert automatisch opi wäre.


    Das wrong in on wrong period instruments meint nicht falsche Instrumente sondern falsche Epoche von Instrumenten. Das Herrliche an derlei Dingen ist, dass wir uns immernoch in den Fraktalen der Postmoderne befinden, wodurch sich auch die Vektoren der Musizierenden längst nicht mehr nur einer linearen Fortschrittsperspektive widmen, sondern in alle Richtungen strahlen.


    Die beiden CDs mag ich übrigens auch sehr.


    *sante*

    Aber --- zunächst halten sich die Forum-Mitglieder selbst nicht an dieses Ziel. Über 80 Prozent der Beiträge beziehen sich derzeit auf Aufnahmen mit modenen Instrumenten.

    Das stimmt so nicht: sämtliche Musik ab dem späten 19. Jhdt. bis Gegenwart wird opi gespielt.

    Ravel dirigiert seinen Bolero, Strawinski seinen Sacre, Chatschaturian seinen Spartacus, Penderecki seine Sinfonien natürlich opi . Sie können auch gar nicht anders, außer sie würden jetzt explizit alte Instrumente verlangen. D.h. wenn man die Begriffe opi und hip logisch und konsequent anwendet, dann dürften sich deutlich weniger Beiträge auf Interpretationen omi beziehen als die von Liebestraum genannten 80 %


    Siegfried

    Und auch das stimmt so nicht.


    Wie bei allen Kategorisierungen sind die Ränder unscharf, eine Definition nie völlig klar abgegrenzt. Die hier behauptete Grenze "ab dem späten 19. Jhdt." war vor einigen Jahren vielleicht noch zutreffend, zumindest in Hinsicht auf die Praxis. Zuvor aber lag sie sogar weiter zurück und heute ist sie hinsichtlich des Instrumentenbaus ein gutes Stück ins 20. Jahrhundert hinein zu verorten: das Einzugsgebiet der on period instruments Musizierenden schloss zunächst einmal nicht die Romantik (und natürlich später) mit ein, aber inzwischen gibt es z.B. auch Ravel auf historischen Instrumenten, womit man zeitlich in den Bereich der 1920er Jahre gelangt.


    Von jeher war der Begriff on period instruments an den der historischen Aufführungspraxis gekoppelt. Damit steht er in Verbindung mit Begrifflichkeiten wie "vergangene Epoche" oder "Rekonstruktion", was seine Benutzung für Musik "ab dem späten 19. Jhdt." bzw. wie gesagt treffender "ab dem ersten Viertel des 20. Jhdt." schwierig oder zumindest fragwürdig, in meinen Augen sogar absurd, nämlich unpraktikabel macht. Warum? Weil er seinen Sinn aus dem Wandel im Instrumentenbau bezieht. Ob Musik z.B. der 60er Jahre einer vergangenen Epoche zuzurechnen ist, bleibt fraglich, einiges spricht dafür, einiges nicht - aber wie dem auch sei überwiegt für mich die Frage, ob für ihre Aufführung Instrumentarium rekonstruiert (bzw. konserviert) werden muss, um den Vorstellungen des Komponisten beim Schreiben gerecht zu werden. Derzeit sehe ich keinen Anlass, einen Unterschied zu machen zwischen Instrumenten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und denen des 21. Jahrhunderts. Das Interessante daran ist, dass nur die Zeit zeigen wird, wohin sich eine sinnvolle und sich in der Praxis niederschlagende Ausweitung des Begriffs on period instruments bewegen wird. Was wissen wir schon von der Zukunft, wohin sich der Instrumentenbau entwickeln oder was künftigen Musikhistorikern an Unterschieden als relevant für den Klang und die Aufführung erscheinen wird. Aber deswegen den Begriff in weiser oder vorauseilender Weitsicht in die Gegenwart zu bemühen, läge mir, wie gesagt, fern.


    Ein weiterer Gedanke dazu: durchaus relevant für eine Abgrenzung des Begriffs on period instruments dürfte anknüpfend an das genannte Feld der Rekonstruktion (je weiter in der Vergangenheit und je vergangener die Epoche, desto umfangreicher der Aufwand zur Wiederentdeckung und desto größer der Anteil an wie sehr auch immer begründeten Vermutungen) dürfte die Erfindung der Tonaufzeichnung sein. Seitdem es in zunehmend besserer Qualität möglich war, Klangereignisse aufzunehmen und wiederzugeben, befindet sich die Musik längst in einem allen früheren Epochen abkömmlichen und diese in dieser Hinsicht übertreffenden Umstand der Dokumentier-, Reproduzier- und Analysierbarkeit. Gerade dass ab einem gewissen (oder ungewissen - siehe oben die Ränder bei Kategorisierungen) Zeitpunkt die Musik in ihrer Epoche eingefroren und unverändert wiedergegeben werden konnte und kann, ist von großer Bedeutung für die Füllung des Begriffs on period instruments mit Bedeutung und eine wo genau auch immer aus heutiger Sicht zu ziehende Grenze. Übrigens spielen auch andere technische Entwicklungen eine beachtungswürdige Rolle, überhaupt seitem es Elektronik und insbesondere deren Einzug in die Klanggestaltung gibt. Heutzutage lassen sich die tollsten Dinge digital auf jedem mikrigen Laptop gestalten, von Algorithmen, die dann wohl doch schon wieder historisch zu nennende analoge Synthie-Sounds emulieren bis zu perfekt gesampelten Instrumenten samt konkretem einzigartigem Raum sowie zuvor nicht möglichen Klängen. Aber auch hier: die explizite Dokumentation dessen, was der Komponist wollte/will ist immens im Vergleich zu früheren Zeiten, was bedeutet, dass die Fragezeichen für jemanden, der sozusagen on period instruments die jüngere Musik musizieren will, gering oder nicht vorhanden sind. Wir sind zeitlich zu nah dran und es gibt aufgrund der zeitgenössischen (vor allem technischen) Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert zu wenig zu rekonstruieren, um den Begriff on period instruments abstandslos sinnvoll zu verwenden.


    Kurz gesagt: on period instruments darf nicht stur wortwörtlich genommen werden, sonst verliert der Begriff an Bedeutung, sondern muss semantisch in seinen zeitlichen, räumlichen, kulturellen Bezügen mit Sinn gefüllt und gedacht werden, damit er praktisch überhaupt Sinn macht. Penderecki opi zu nennen, ist in meinen Augen lediglich semantisch witzig, gerade weil es den Sinngehalt zerstört, aber insofern eine Ablenkung im Diskurs, ähnlich der Antwort "Ja" auf die Frage, ob man mal die Butter reichen könne.


    *sante*


    PS: Um die Diskussion unnötig zu verkomplizieren und mir ein Bein zu stellen, möchte ich abschließend an diese Einspielung von Kompositionen Frank Zappas durch das Ensemble Ambrosius erinnern, die auf barocken Instrumenten musizieren: das ist nicht opi sondern owpi, nämlich on wrong period instruments und nicht minder faszinierend:


    Von Hille Perl per Facebook, die ihn zu ihren ältesten Freunden zählt. Und ebenso von Andrew Lawrence-King, Ihlenfeldt war Gründungsmitglied in dessen The Harp Consort.

    Der Theorbist Thomas Ihlenfeldt ist bei einem Autounfall gestorben.


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    Und noch was Neues, das Einblick, nein: Einohr in das Erklingen von Musik vor Radio, CD und Download bietet. Florian Deuter, wohl am bekanntesten durch Harmonie Universelle und seine Vergangenheit bei Musiqua Antiqua, dem Amsterdam Baroque Orchestra, dem Gabrieli Consort, der Chapelle Royale oder dem Collegium Vocale Gent, hat mit seiner Frau Mónica Waisman ein bisserl Mozart als Violinduo aufgenommen.


    Dabei macht weniger das grundlegende Material neugierig, sondern vor allem dessen Bearbeitungen. Denn es handelt sich beinahe (nicht ganz, nur beinahe) um so etwas wie Greatest Hits, allerdings in zeitgenössischen Transkriptionen für den kleinen Musiksaal, den Salon, für daheim. Eben so, wie diese Musik seinerzeit diesseits vom großen Konzertsaal oder Opernhaus weit häufiger und alltäglicher gehört und praktiziert wurde. Aus der Zauberflöte oder dem Figaro mit zwei Violinen zu hören und das aus solch historisch versierter Musikerhand, verspricht zumindest mir einen erfrischenden Blick, nein: erfrischte Ohren, was mir persönlich ohnehin meist ein Hauptgrund für das Interesse an der irrsinnigerweise so genannten "Alte Musik Szene" war und ist. Deshalb nicht unbesehen, aber ungehört eine Empfehlung meinerseits:



    Pocket Mozart - Operas & Sonatas for Violin Duo


    Florian Deuter: Violine

    Mónica Waisman: Violine


    *sante*

    Roland Götz ist 83 und studio XVII augsburg 50:


    Anlässlich des 50jährigen Bestehens des studio XVII augsburg spielte Götz auf seinem flämischen Cembalo (nach Ruckers) im Gartensaal der neuen Küferei des Klosters Irsee die in den Turiner Tabulaturen unter dem Titel "Ich gieng einmal spatieren. 31 mal Verendert durch Herrn J. L. H." überlieferten Variationen des Hans Leo Haßler (1564 bis 1612) auf CD ein.


    Der umfängliche und zukunftsweisende Zyklus hat für die Zeit um 1600 wohl ähnliche Bedeutung wie die Goldbergvariationen Bachs für den Spätbarock – übrigens haben beide ähnlichen Umfang und sind in je einunddreißig Teile gegliedert ..

    Alle_CDs | studio XVII augsburg


    CD96533.jpg


    *sante*

    Auch gerade gelesen. The Friends of Mr. Cairo gehört zu meiner kindlichen Musikprägung und ich liebe das Album seit 41 Jahren.


    Adieu. *sante*



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