Beiträge von Oolong

    Ja, und ich glaube auch, dass Tellkamp für eine im besten Sinne zutiefst bürgerliche ( Innen-)Welt steht, deren Existenz man der DDR nicht zutraute, die aber auch heute, in den Zeiten des gerade kollabierenden Wachstumswahns und einer von einer diabolischen Effizienzmanie getriebenen Verdichtung der Lebenszeit, den modernen Eliten zutiefst suspekt ist.

    Denn Tellkampf steht auch für das Elitäre- allerdings ein epochenübergreifendes, wie dies nur Bildung und Kultur vermögen...!

    Und darum muss sich der latente ( aber geschickt kaschierte) Minderwertigkeitskomplex der modernen Gesellschaft an Störern wie Tellkamp abarbeiten.

    Er wird öffentlich zerlegt werden, standrechtlich, das steht jetzt schon fest. Und klar ist schon im Turm manches geschraubt und gekünstelt, aber es ist eben auch auch ein wirkliches Stück Heimat, eine Zuflucht für mich, wie sicher für viele andere auch, die Bildung als den wahren Schatz eines Menschenlebens betrachten und sich im Großreich des Banalen und Dümmlichen immer fremder fühlen...

    Wobei- neben dem Monument ,,Turm" liebe ich in der Tellkamp-Welt die ,,Die Schwebebahn" noch ganz besonders...!

    Das sehe ich genau so! Trotz einer lagerlogistisch äußerst prekären Situation ( Bücher und CDs liegen überall...) bin ich jedoch nicht bereit mich auf so diabolische Abwege wie Digitalisierungen oder e-books einzulassen.

    Wenn ich das täte, hätte August der Starke sich ja auch Poster vom goldenen Kaffeezeug, von Dinglingers Thron des Großmoguls oder dem Mohren mit der Smaragdstufe oder dem sächsischen Weißen ( nebst Versicherungspolice) aufhängen können... *leberwurst*

    Ich habe vor mehr als 10 Jahren mal eine amazon-Rezension zur Hörbuchfassung der ,,Jakobsleiter" geschrieben. Sie gilt auch heute noch unverändert:

    Ich kann der Rezension von Wolfgang Haan nur voll zustimmen und muss das Lob nicht wiederholen. Nur noch eine kurze Anmerkung zur " innewohnenden Menschlichkeit":

    Ich neige eher nicht zu sentimentalen Reaktionen - aber dieses Buch hat mich tief berührt. Besonders 3 Figuren sind mir nahe gekommen: 1.Adriaan - mit seinen etwas verqueren aber mir nur zu gut einleuchtenden Gedanken- und Gefühlswelt ( ja, man kann sich in einen Turm verlieben).

    2. sein wunderbarer Großvater, äußerst bibelfester Zweifler, ein sinnenfroher Weiser, ein frommer Sünder - mit seinem angeblich nicht vorhandenen Glauben kommt er dem Himmelreich wohl näher als alle anderen .

    3. Auch wenn es verwundern mag- es ist Johannes Ruygveen. Der ist nämlich kein Monster, sondern ein tragischer Gottsucher, der erst verrückt werden musste, um trauern und lieben zu lernen und seinen Gott damit zu finden. So wird er schließlich sogar für Adriaan zum Lossprecher...!


    Dieses Buch , herausragend gut gelesen von Frank Arnold, gehört zu den literarischen Schätzen, die Rüstzeug für ein Leben sind.

    Ist er doch, war er auch immer! die Päpste und die deutsche Bischofskonferenz haben das nur nicht gemerkt. Dabei ist er doch praktisch das Urbild eines authentischen Katholiken. Leider sind die in der römischen Kirche rar geworden...!

    Franziskus sollte ihn heilig sprechen und würde 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Ökumene wäre von jetzt auf gleich fast am Ziel und man hätte dennoch Rache geübt am Mönchlein von Wittenberg. Wenn er Heiliger sein müsste würde dem dicken Bruder Martin nicht mal mehr sein wittenbergisch Bier schmecken und Heiligsprechungen kann man nicht ablehnen... :saint:

    Absolut. Auf das Problem weisen die Autoren auch hin. Da es vor der schriftlichen Niederlegung und Kanonisierung oft eine jahrhundertelange mündliche Trdaierung gibt und zwar nicht nur bei der jüdischen Bibel, sondern auch im NT; ist jede exakte Datierung sehr schwierig.

    Und wenn ich dann noch die apokryphen Evangelien herbeiziehe, die ja teilweise nur durch einen erbitterten Konkurrenzkampf der Protagonisten der frühen Kirche aus der Bibel eliminiert wurden, obwohl sie durchaus beachtenswerte narrative Quellen hatten, wird es vollends unübersichtlich...

    Die kann ich Dir dazu übrigens wärmstens empfehlen

        


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    Die Entstehungszeit des Markus-Evangeliums wird heute gerne mit dem Jahr 70 angegeben. Wenn man Mk 13,2 als ,,echte" Prophezeiung ansieht- wofür theologisch einiges spricht- landet man aber unweigerlich VOR dem Jahr 70 ( der große Neutestamentler Klaus Berger sei hier als Quelle benannt). Bis ins 20 Jahrhundert hinein ,auch noch in meiner Studienzeit ging man vom Jahre 60 aus. Frühere Bibelwissenschaftler gehen sogar bis 40,45 zurück, das erscheint mir aber zu weit gegriffen. Ich gehe von 60 aus und davon, dass die Zerstörung des Tempels in Mk13,2 als echte Prophezeiung zu werten ist.

    Und die ältesten Texten des NT sind die echten Paulusbriefe, alle so zwischen 50 und 60 geschrieben- der 1.Thessalonicher ist nach meiner Kenntnis der älteste ( auf 50 datiert) es folgen die Korintherbriefe 55 bzw.56...

    Naja, der jüdische Krieg begann im Jahre 66 also 33 Jahre nach den hier in Rede stehenden Ereignissen... da ist schon noch Einiges an Wasser den Jordan herabgeflossen.

    Außerdem beziehe ich mich nicht auf das Johannesevangelium allein, sondern auf die Evangelien in der Gesamtschau. Und da sind die Quellen ( Markus) auch noch etwas näher an den Ereignissen dran als Flavius Josephus. Berücksichtigt man spekulativ noch, dass in der Spruchquelle Q Aussagen zum Passionsgeschehen enthalten sein könnten, hätte man wahrscheinlich Augenzeugenberichte.

    Natürlich sind diese literarisch ausgeformt worden und das bei Johannes mehr als bei den anderen. Betrachtet man es aber synoptisch bleibt ein deutlich stabilerer Ereigniskern als es historisch-kritische Bibelauslegung wahrhaben will.

    Auch wenn das, was Du schilderst, durchaus in Fachkreisen anerkannt ist, sehe ich ( natürlich wie immer ohne Anspruch, absolute Wahrheiten zu verkünden), das etwas anders.

    Ich finde nämlich gar nicht, dass der Hohe Rat in so ein besonders schlechtes Licht gerückt wird. Sicher, sie wollten Jesus loswerden und haben trotz ihrer Angst vor einem Volksaufstand nicht zum Mittel eine meuchelnden Dienstleisters gegriffen, nein, sie wollten ein ,,rechtsstaatliches" Verfahren nach damaligen Standards.

    Jesus wurde vorgeführt, es wurden Zeugen gehört aber ,,deren Zeugnis passte nicht zueinander". In vielen vermeintlichen Rechtsstaaten hätten sich ,,Staatsschutzsenate" ( als solcher agiert der Sanhedrin hier m.E.) sich großzügig über die Widersprüche hinweggesetzt. Nicht so hier. Man will eine saubere Beweisführung. Und somit provoziert der Hohepriester Jesu mit der Frage ,,Bist Du Gottes Sohn". Natürlich ist Jesus da nicht in eine Falle gegangen ,sondern er will es jetzt ausdrücklich bekennen ,,Du sagst es". Beweis der Gotteslästerung nach jüdischer Rechtsauffassung erbracht!

    Und wieder läge es doch nahe, dass man nun den Mob von der Kette lässt, dass Jesus gesteinigt oder gelyncht wird. Aber nein, der Hohe Rat erkennt an, dass sein ,,Strafrahmen" für die zugegeben beabsichtigte Todesstrafe nicht ausreicht und verweist das Verfahren an die nächsthöhere Instanz- den Landpfleger Pontius Pilatus. Dort treten die Gesandten des Sanhedrin klar als Ankläger auf. Aber Pontius Pilatus war nun mal der Richter, ein wenig interessierter und ziemlich hilflos agierender Richter, der ein bisschen herumverhandelt und dann dem Hohen Rat seinen Willen lässt. Dass er wirklich eingeschüchtert war, als die Juden ihm drohten ,,Lässt Du diesen los, bist Du des Kaisers Freund nicht" halte ich für ein sehr schwaches Argument. Gerade weil die Ereignisse in Palästina in Rom so wenig Interesse fanden, dass nicht mal der jüdische Krieg es auf die Titelseiten brachte, was hätte da eine ,,Dienstaufsichtsbeschwerde" einiger jüdischer Funktionäre gegen den Gouverneur Roms bewirkt...?

    Es waren mit Sicherheit keine Volks-,,Massen", sondern eher die Mitglieder des Sanhedrin, des Hohen Rates. Man darf ja nicht vergessen, dass der Hohe Rat gerade in den Tagen davor den Volkszorn so sehr gefürchtet hat ( ,,...auf das es nicht einen Aufruhr gebe im Volk"), dass zu dieser höchst seltsamen Nacht-und-Nebel Festnahme kam.

    Und man darf auch nicht vergessen- die Vernehmung vor Pilatus fand in den frühesten Morgenstunden statt. Da waren wohl auch nicht so leicht Menschenmassen zu aktivieren, denen man eh nicht traute...

    Ich habe vor fast 30 Jahren mal eine theologische Hausarbeit zur Person des Judas Iskariot geschrieben. Durch die ( mutmaßlichen) Fehldeutungen seiner Person, seiner Motive und seines tatsächlichen Handelns ist die Passionsgeschichte erst in die bis heute bestehenden Deutungsmuster geraten. Nur die bekannten Fakten zugrunde gelegt und mal mit dem Blick der Sachverhaltsaufklärung eines modernen Strafgerichts auf die Ereignisse jener Tage in Jerusalem geschaut ( ohne tradierte Motivationsunterstellungen bitte) entsteht wahrhaft ein Justizthriller in dem vieles daraufhin deutet, dass wir zwar in den Evangelien alles notwendige gezeigt bekommen, aber eben nicht SEHEN, dass es ganz anders gewesen sein könnte...