Beiträge von Tschabrendeki

    Lucie Sedlakova Hulova, Violine
    Jaroslav Tuma, Orgel (Tobias Fleck 1712, Mariä Heimsuchung Kirche, Oberpolitz/Horni Police)

    Jaroslav Tuma hat einmal bereits eine juge Violinistin an der Orgel begleitet bei einer Einspielung der Rosenkranzsonaten: das war die bei Supraphon erschienene Ausgabe auf zwei CDs mit horroristischen Coverbildern und einer Aufführung auf unskordierter Violine (in einem Arrangement von Erwin Luntz mit der falsch aufgelösten 11. Sonate) bei Gabriela Demeterova. Eine Einspielung, die eher in das Kuriositätenkabinett gehört als unter die ernst zu nehmenden Aufnahmen. Ob es dem Organisten Tuma nun gelingt, den Fehler von damals zu korrigieren?

    Ich würde sagen, ja. Ganz anders als bei der Demeterova-Aufnahme steht hier alles im Zeichen von opi: Barockvioline, skordiert und eine böhmische Barockorgel. Letztere könnte durchaus den Fokus der Einspielung beanspruchen (etwa wie bei den Aufnahmen von Anne Schumann), doch findet Tuma eine Balance, die Fähigkeiten der Orgel aufzuzeigen und die Violine zurückhaltend zu begleiten. Dafür verwendet er meistens dumpfere Register, lässt aber auch manchmal den tiefen Bass des Instruments dröhnen. Besonders in den Sonaten 9 und 11 entstehen dadurch wunderschöne Effekte.

    Frau Hulova spielt schön und ausgeglichen. Man findet einige besonders beeindruckende Momente, besonders in den Sonaten der schmerzhaften Mysterien. Trotz des kirchlichen Ambientes hatte ich den Eindruck, dass hier statt Religiosität die Musikalität der Sonaten betont wird, ohne jedoch in das Tänzerische abzudriften.

    Eine liebenswerte Aufnahme mit genug Persönlichkeit, dass man sie wirklich liebgewinnen kann.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Henricus Ignatius Franciscus Castor

    Quindecim vicibus discordatam diverisque Sonatis, Praeludiis, Allemandis, Courent:, Saraband:, Ariis, Ciacona, Variationibus &c.

    Lucie Sedlakova Hulova, Violina
    Jaroslav Tuma, Organum

    Alan Choo, Violine
    Apollo’s Fire
    Jeanette Sorell, Cembalo und Leitung
    René Schiffer, Cello und Viola da Gamba
    Kivie Cahn-Lippman, Lirone und Viola da Gamba
    William Simms, Theorbe und Barockgitarre
    Brian Kay, Erzlaute und Schlagzeug
    Anna O’Connell, Tripelharfe
    Peter Bennett, Kammerorgel

    Die neueste Einspielung der Rosenkranzsonaten ist unterhaltend. Was mir sofort aufegefallen ist, sind die vielen Verzierungen, die Alan Choo hinzufügt. Freilich er ist nicht der Erste, der das tut, aber so dreist habe ich noch niemanden die Sonaten spielen gehört. Da bleibt kaum eine Note wie notiert. Das bringt einige rhythmische Ungenauigkeiten mit sich, über die Puristen sich nach Herzenslust aufregen dürfen. Hier kann wirklich jeder seinen Spaß haben.

    Die Continuo-Gruppe ist größer als in letzter Zeit üblich, man fühlt sich in die frühen Neunziger zurückversetzt. Und die Musiker scheuen nicht davor zurück, mächtig Gewürz dazu zu geben: historisch informiert sei es vielleicht nicht, aber musikalisch und macht einen (wie mich) grinsen vor Freude. Die Zugabe von Pauken am Anfang der Christi-Himmelfahrt-Sonate 12 ist doch meines Erachtens schon zu viel des Guten, die Aufgabe der Violone sollte es ja sein, die Pauken zu imitieren. Die Violine wird an gleicher Stelle ja auch nicht gleich von Clarini ersetzt... der Sinn der Musik liegt hier eben, wie diese Imitiation realisiert wird, und nicht stattdessen aufzugeben und richtige Pauken zu verwenden. Aber was soll's, klingt spaßig genug!

    Und irgendwie lässt mich das mit folgenden Gesamteindruck zurück: das war Spaß, wie am Karussell, ohne viel Tiefe oder gar Sinn und Funktion, aber jede Minute absolut mitreißend und musikalisch äußerst spektakulär. Für Leute, die Musik gerne zur Unterhaltung hören, empfehle ich das uneingeschränkt, für pedantische Puristen nur, wenn die mal wieder über etwas so richtig meckern möchten. Jedem das Seine.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Ich wollte ja früher auch Benediktiner und dann Jesuit werden, später dann Franziskaner. Heute würde ich meinen eigenen Orden gründen.

    Ich war nie religiös genug um solche Pläne zu haben, aber wegen meines ASD habe ich oft die Zurückgezogenheit und Routine des Mönchslebens bewundert. Mein ADHD würde mich aber am zweiten Tag ausflippen lassen. ^^

    Lange nicht mehr gelauscht:

    Romanus Weichlein (1652-1706)

    Encaenia Musices (1695)

    Ars Antiqua Austria
    Gunar Letzbor, Violine und Leitung
    Piroska Batori, Violine
    Peter Aigner, Markus Miesenberger, Pablo de Pedro, Viola
    Jan Krigovsky, Violone
    Hubert Hoffmann, Laute
    Norbert Zeilberger, Orgel
    Andreas Lackner, Herbert Walser, Clarino

    Gunar Letzbor, Violine

    Ars Antiqua Austria:
    Erich Traxler, Orgel
    Jan Krigovsky, Violone
    Hubert Hoffmann, Theorbe

    Salzburg Lute Continuo (IV, X, XIV):
    Hubert Hoffmann, Laute
    Lee Santana, Chitarra Attiorbata
    Daniel Oman, Colachone

    Gunar Letzbor beschreibt im Booklet der 2015er Neuasgabe der ARCANA-Einspielung der Rosenkranzsonaten, dass er erstmals 18-jährig in Berührung mit dem Werk gekommen ist, erstmals durch die Einspielung von Eduard Melkus, dann durch den Entschluss, die Sonaten in der Transkription für unskordierte Violine zur Aufführung zu bringen. Später ist seine erste Einspielung - bereits auf Barockgeige mit Skordatur - gefolgt und 21 Jahre später die hier vorliegende zweite Einspielung. Eine lebenslange Faszination also!

    In den letzten Jahren hat Gunar Letzbor Aufnahmen von Werken Bibers vorgelegt, die bezeugen, dass sein Verständnis der Musik des Salzburger Meisters allen überlegen ist: besonders hervorheben möchte ich die CD mit der Missa Alleluia, die ist schlicht atemberaubend. Nun wendet er sich wieder den Rosenkranzsonaten zu und was man zu hören bekommt, übertrifft alles. Waren für mich seine erste Einspielung und die von Andrew Manze noch ebenbürtig, steht nun diese neue ohne Frage über allen beiden.

    Die Tempi sind deutlich langsamer als früher, die Gesamtdauer liegt sogar über der der Darbietung von Manze, fühlt sich aber nie schleppend an, ganz im Gegenteil: Letzbor spielt sehr dynamisch, jeder Bogenstrich hat eine ganz durchdachte und perfekt realisierte Farbe, wirkt aber immer direkt und ehrlich, ohne die hochpolierte Langeweile-Schönheit von Edouard oder Podger, ist eine ständiger Strom von Kontrasten, Emotion und Übersteigerung: voll und ganz Barock eben!

    Die Continuo-Gruppe unterstützt den Solisten dabei perfekt: man vernimmt wunderbare Einfälle, aber die Violine bleibt jederzeit im Fokus und wird im wahrsten Sinne des Wortes begleitet. Die Klangqualität ist ausgezeichneit mit einem größeren Klangraum aber ohne die einzelnen Instrumente verschwommen zu machen.

    Die beste Einspielung der Rosenkranzsonaten, die man sich vorstellen kann.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Christina Day Martinson, Violine
    Boston Baroque:
    Martin Pearlman, Cembalo und Orgel
    Michael Untermann, Cello
    Michael Leopold, Theorbe und Gitarre

    Seit ich der ziemlich enttäuschenden Einspielung der Monteverdischen Marienvespern gelauscht, bin ich kein Fan von Boston Baroque. Ich war also nicht vorbehaltlos, als ich diese Aufnahme erstmals auf in den Spieler gelegt habe. Eines war sicher: die Klangqualität wird hervorragend, das garantiert das Label Linn.

    Es ist oft vom Vorteil, mit negativer Erwartungshaltung die Hörsession anzufangen: man kann umso leichter positiv enttäuscht werden! Das ist mir (auch) hier passiert. Sie gehört zwar ganz bestimmt nicht zur Top-Klasse, aber gesellt sich sehr wohl zur hohen Mittelklasse.

    Frau Martinson spielt sehr gut, mit Herz und manch Verve aber ohne exzessive Virtiosität oder Theatralik. Ich mag die tänzerische Dynamik der Darbietung in den Mittelsätzen besonders. Dank der tatsächlich hervorragenden Klangqualität kann man jede Klangabstufung der Violine hören, die Klangeffekte der Skordatur ist für mich vielleicht keine anderen Einspielung so ohrenfällig, wie hier. Dass die offenen Saiten vor jeder Sonate angespielt werden hilft auch dabei und überhaupt es ist eine gute Idee die Skordaturen auch klanglich und nicht nur visuell im Booklet angezeigt zu bekommen.

    Das Continuo-Spiel ist eher zurückhaltend, man hört viel akkordisches Spiel statt Arpeggios, dadurch glänzt die Violinstimme aber umso mehr, so würde ich das nicht als Nachteil aufzählen.

    Alles in allem eine gute Einspielung, die vielleicht nicht an die von Manze on Letzbor hinaufreichen kann, aber ohne Probleme den Vergleich mit den viel gelobten Aufnahmen von Huggett, Edouard, Sepec, Roussel, Siedel, usw. bestehen kann.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Sämtliche Violinsonaten

    Igor Ruhadze, Violine
    Ensemble Violini Capricciosi:
    Vaughan Schlepp, Cembalo
    Felcity Goodwin, Orgel
    Nika Zlataric, Cello
    Regina Albanez, Theorbe
    Brilliant (5 CDs)

    Ich fand es immer lobenswert von Brilliant, dass sie in Boxen Gesamteinspielungen vorlegen. Mit Biber lag es an der Hand, sämtliche authentische Violinsonaten einzuspielen. Das heißt: die Violinsonaten von 1681, die handvoll von Violinsonaten in Manuskripten und natürlich die Rosenkranzsonaten. Dass die letztere einen speziellen Platz im Oeuvre einnehmen zeigt, dass sie bereits auf dem Cover herausgehoben sind, dass das Coverbild auf sie anspielt und dass sie auf CD1 und 2 vorangestellt sind.

    Die Einspielung selber ist, wie bei diesen Brilliant-Produktion neuerdings üblich, solide. Nicht herausragend, aber es gibt auch wenig zu meckern. Die Klangqualität ist klar und eher trocken, aber in einer angenehmen, kammermusikalischen Weise, die der Musik richtig gut tut. Die Klangfärbungen der Violine durch die Skordatur treten auf sehr erfreuliche Weise in den Vordergrund. Die Darbietung ist gefühlvoll, aber nicht artifizell gesüßt (wie manche andere... richtig, Frau Podger?*flirt*), zurückhaltend-präzise mit moderaten Tempi, aber nie schleppend. Theatralische Gesten findet man kaum, auch die Momente der von virtuoser Showmanship sind eher selten und dramaturgisch plaziert.

    Es gibt viel an dieser Einspielung zu mögen, woran es etwas fehlt, ist für meinen Geschmack etwas mehr Experimientierfreudigkeit und Persönlichkeit. Die ganze Aufnahme hat einen Hauch von Objektivität und Pünktlichkeit für mich. Eigentlich wie es für eine Gesamteinspielung gehört. So kann ich diese kleine 5-CD-Box absolut als eine solide Wahl empfehlen, aber niemand soll erwarten, dass diese Aufnahmen ihm/ihr den Kopf wegfegen werden. Höchste Mittelklasse.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Davor:

    Antoine Brumel (c.1460-1520)

    Missa "Et ecce terrae motus"

    Graindelavoix *omi*

    Teodora Tommasi, Florencia Menconi, Sopran
    Andrew Hallock, Alt
    Albert Riera, Andrés Miravete, Marius Peterson, Tenor
    Momas Maxé, Arnout Malfliet, Bass
    Berlinde Deman, Serpent
    Lluís Coll i Trulls, Kornett
    Pierre-Antoine Tremblay, Christopher Price, Naturhorn
    Manuel Mota, Elektrische Gitarre

    Die Kombination der Noise-Drone-Installationen von Mota mit der polyphonen Messe Brumels ist auf jedem Fall interessant. Hat mich stellenweise an die Kollaborationen der Doom Metal Gruppe Boris mit dem Noise-Künstler Merzbow erinnert...

    Graindelavoix - The Liberation of the Gothic

    Thomas Ashwell: Missa Ave Maria

    John Browne: marianische Motetten

    Das Gefühl für Polyphonie bei Graindelavoix ist atemberaubend! Jede Stimme lebt für sich allein und so verflechten sie sich zu einem Klanggefüge mit mesmerischer Kraft.

    <3